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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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letzten Sommertage; der September kam heran. Für die nördlichen Bezirke des Landes bedeutet das schon den Beginn des Winters und der Winter besteht für das obere Irland in fast ununterbrochenem Schneegestöber, scharfen Winden und Nebeln, die von den übereisten Ebenen des nördlichen Amerika stammen und von den Meereswinden nach Europa getrieben werden.
     

    Die ganze Schule drängte sich um den Ofen. (S. 50.)
     
    Es herrscht unfreundliches, rauhes Wetter an den Ufern der Bai von Galway, die zwischen den umgebenden Bergen wie zwischen den Wänden eines Gletschers liegt. Da giebt es kurze Tage und lange Nächte, peinlich genug für alle, in deren Kamin kein wärmendes Feuer flackert. In der Lumpenschule herrschte natürlich auch eine recht niedrige Temperatur, außer vielleicht im Zimmer des Directors O’Bodkins. Doch wenn«der verantwortliche Leiter der Anstalt nicht warm gesessen hätte, wäre ihm ja die Tinte im Schreibzeug eingefroren, und das ging doch nicht wohl an.
    Jetzt galt es vor allem, auf Straßen und Landwegen zusammenzuraffen, was irgend brennbar war und einige Wärme liefern konnte. Freilich ergab das nicht viel, wenn man wie hier auf herabgefallene dürre Zweige, auf durch den Rost gefallene Kohlenstückchen, die in den Haufen vor den Häusern lagen, angewiesen war, und etwa auf die längs der Quais verstreut liegend verlornen Kohlenstücke, um die sich die armen Leute fast schlugen.
    Die Zöglinge der Lumpenschule mußten sich also dieser Arbeit unterziehen und auch der Findling nahm daran ohne Widerspruch theil, das war doch wenigstens kein Betteln. Dann brannte denn auch ein Feuer im Ofen, so gut es eben zu unterhalten war.
    Die ganze, in der zerrissenen Kleidung frierende Schule drängte sich um den Ofen, wobei die Größten natürlich die besten Plätze eroberten, während das Abendbrod im Kessel bereitet wurde. Und welches Abendbrod! Weggeworfene Kartoffeln, Brodrestchen, Knochen, an denen zuweilen noch ein Bissen zähes Fleisch hing…. Das ganze eine jämmerliche Suppe, worauf einige Fettklümpchen die Augen guter Bouillon vertraten.
    Nahe dem Feuer gab es für den Findling selbstverständlich niemals einen Platz und selten einen Löffel von der Suppe, die die alte Hausverwalterin für die Größeren aufhob. Diese stürzten gleich hungrigen Hunden darüber her und wiesen den andern die Zähne, um ihre magere Mahlzeit zu vertheidigen.
    Den Kleinen pflegte Grip in sein Loch mitzunehmen, wo er ihm das Beste von dem zuschob, was er von den täglichen Rationen empfing. Da gab es freilich kein wärmendes Feuer. Doch wenn sich beide unter das Stroh versteckten und sich aneinander drängten, dann gelang es ihnen wohl, sich einigemaßen vor der Kälte zu schützen und einzuschlafen. Vielleicht wärmte sie wenigstens der wohlthätige Schlaf!
    Eines Tages begünstigte Grip das Glück in ganz besondrer Weise. Er war unterwegs und ging eben auf der Hauptstraße von Galway hin, als er in das Royal-Hôtel zurückkehrender Reisender ihn beauftragte, noch einen Brief nach der Post zu besorgen. Grip beeilte sich, diesem Wunsche nachzukommen und erhielt einen ganzen Schilling zur Belohnung. Das war nun freilich immer noch kein großes Capital, um dessen Anlegung in Staatspapieren er sich etwa den Kopf zu zerbrechen brauchte, dagegen war er sofort entschlossen, für das Geld etwas Eßbares einzukaufen, was zum größeren Theil dem Findling, zum kleineren ihm selbst zu Gute kommen sollte. So erhandelte er denn einige Fleisch und Wurstwaaren, die für drei Tage ausreichten und die von Carker und den andern unbemerkt verzehrt wurden, denn Grip hatte begreiflicher Weise keine Ursache, mit den andern Zöglingen zu theilen, die auch niemals mit ihm theilten
    Besonders wichtig wurde das Zusammentreffen Grip’s mit dem Fremden noch dadurch, daß dieser angesichts der erbärmlichen Kleidung des Burschen ihm noch eine recht gut erhaltene wollene Weste schenkte.
    Grip dachte natürlich gar nicht daran, diese selbst in Gebrauch zu nehmen; nur sein kleiner Schützling lag ihm am Herzen, und dieser sollte sich in der warmen Hülle unter seinen Lumpen gewiß recht wohl fühlen.
    »Da steckt er darin wie ein Lamm in der Wolle!« sagte der brave junge Mann für sich.
    Das Lamm wollte aber nicht zugeben, daß sich Grip seines Vließes beraubte. Es wurde hin und her verhandelt, und endlich kam man zu einer befriedigenden Entscheidung.
    Der Herr, von dem die Weste herrührte, war ziemlich stark und Grip hätte in jene

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