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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gitterthore, von denen der eine dem Portier als Wohnung diente.
    Am Thore dieses Pavillons hatte unser junger Held grade die Glocke gezogen, als es sich öffnete, um den Verwalter Scarlett hinausreiten zu lassen.
    Ungefähr vier Monate waren seit dem unvergeßlichen Tage verstrichen, wo das Adoptivkind der Familie Mac Carthy die Farm von Kerwan verlassen hatte. Wenige Zeilen werden hinreichen, zu berichten, wie es ihm in diesem Zeitraum ergangen war.
    Als Findling gegen fünf Uhr abends von dem zerstörten Hause wegging, wurde es schon langsam finster. Da er Martin und den Seinigen auf der Straße von Tralee nicht begegnet war, kam ihm zunächst der Gedanke, sich nach Limerick zu begeben, wohin die Gefangenen von den Polizisten ohne Zweifel abgeführt worden waren. Ihm erschien es als heilige Pflicht, die Familie Mac Carthy wieder aufzusuchen und auf jeden Fall deren Loos zu theilen. Ja, wenn er schon groß gewesen wäre, um mit seiner Hände Arbeit etwas zu verdienen! Gewiß würde er sich gerührt und keine Mühe gescheut haben… doch was konnte er, der erst Zehnjährige erhoffen? Später. wenn er einmal einen guten Gehalt bezog, sollte dieser für seine Adoptiveltern verwendet werden, und noch später, wenn er sein Glück gemacht hätte – und daran zweifelte er gar uicht – wollte er jenen alles bieten und das Wohlwollen mit Zinsen heimzahlen, das ihm in der Farm von Kerwan entgegengebracht worden war.
    Jetzt, auf dieser verlassenen Straße freilich, inmitten einer vom schlimmsten Elend heimgesuchten Gegend, die von denen verlassen war, welche sie nicht zu ernähren vermochte, und verloren in der kalten Finsterniß fühlte sich Findling vereinsamter als je zuvor. In seinem Alter ist es ja selten, daß Kinder nicht durch irgend ein Band gehalten werden, das sie entweder mit einer Familie verknüpft oder an eine öffentliche Anstalt fesselt, die sie aufnimmt und erzieht. Der Knabe aber war ja nichts anders als ein abgerissenes und auf die Landstraße verwehtes Blatt, das vom Winde hin und her getrieben wird, bis es zu Staub zerfällt. Niemand, niemand gab es, der sich seiner mitleidig angenommen hätte. Wenn er die Mac Carthy’s nicht wiederfand, wußte er vorläufig nicht, was aus ihm werden sollte, oder doch fehlte ihm auch jeder Anhalt, wo er jene suchen, ja nur nach ihrem Verbleib fragen könnte. Waren sie nicht verhaftet worden, so hatten sie sich wohl gar, wie so viele ihrer Landsleute, entschlossen, nach der Neuen Welt auszuwandern, und dann…
    Der Knabe wollte also, quer durch das schneebedeckte Land, nach Limerick wandern. Die Lufttemperatur wäre jetzt kaum zu ertragen gewesen, wenn etwa ein scharfer Wind geweht hätte. Die Atmosphäre war aber still und jeder Laut von weither hörbar. So legte er, ohne einer lebenden Seele zu begegnen, zwei Meilen ganz aufs Geradewohl zurück, denn er hatte sich noch nie in diesen von den ersten Ausläufern der Berge berührten Theil der Grafschaft gewagt Vor ihm verliehen die dichten Tannenwälder dem Horizont einen noch dunkleren Rahmen.
    Von seiner Wanderung nach Tralee und zurück bereits stark angegriffen, fühlte Findling jetzt, daß ihn die Kräfte verließen. Die Beine zitterten ihm und die Füße knickten ihm in den Gelenken. Dennoch wollte er auf keinen Fall Halt machen, und so gelang es ihm mit Mühe, sich noch eine halbe Meile weit fortzuschleppen. Nach dieser letzten Anstrengung aber sank er an einem Abhange mit großen Bäumen zusammen, deren Zweige sich unter der Last des Rauhfrostes beugten.
    Hier kreuzten sich zwei Landstraßen, so daß Findling, wenn er sich wieder zu erheben im Stande gewesen wäre, nicht gewußt hätte, welcher davon er folgen sollte. Auf dem Schnee ausgestreckt und mit erstarrten Gliedern, konnte er, als schon seine Augen sich schließen wollten und er das Bewußtsein für seine Lage halb verlor, nur noch einmal rufen:
    »Zu Hilfe!… Zu Hilfe!«
    Fast gleichzeitig erschallte ein entferntes Gebell in der trocknen kalten Nachtluft. Dann kam es näher und an der nächsten Straßenbiegung tauchte ein Hund auf, der mit gesenkter Nase, hängendem Schwanze und mit Augen, die wie solche von Katzen erglänzten, den Boden beschnüffelnd einhertrabte.
    Mit wenigen Sprüngen stand das Thier neben dem Kinde… doch nicht um diesem ein Leid zuzufügen, sondern um es zu erwärmen, indem sich der Hund an dessen Seite ausstreckte.
    Findling bekam sofort seine Besinnung wieder. Er schlug die Augen auf und fühlte, daß eine warme, liebkosende

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