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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Scarlett nicht beobachtet hat, das Zittern seiner halb zum Himmel erhobnen Hände und seine auf die Erde gesenkten Blicke, der vermag sich gar keine Vorstellung zu machen, bis zu welchem Grade so ein Mucker seine heuchlerischen Grimassen zu vervollkommnen vermag.
    »Doch wenn ein Diebstahl ausgeführt worden ist… sagte er endlich.
    – Wie… nur wenner ausgeführt worden wäre? fiel die Marquise näselnden Tones ein.
    – Verzeihen Ihre Herrlichkeit, beeilte sich der Verwalter hinzuzusetzen, ich wollte sagen, da ein solcher vorliegt, so kann er ja nur…
    – Durch einen unsrer Leute begangen worden sein! fiel ihm Graf Ashton ins Wort und fuchtelte dazu, ganz nach Feudalherrenart, mit der in der Hand gehaltenen Reitgerte.
    – Herr Scarlett, nahm Lord Piborne wieder das Wort, wird untersuchen, den oder die Schuldigen zu entdecken und mittelst Affidavits 1 die Intervention des Gerichtes herbeizuführen, da es einem nicht einmal mehr auf eignem Grund und Boden gestattet ist, selbst Gerechtigkeit zu üben.
    – Und wenn meine Ermittelungen zu keinem Ziele führen, fragte der Verwalter, was gedenken Eure Herrlichkeit dann zu thun?
    – Dann wird die gesammte Dienerschaft verabschiedet, Herr Scarlett; hören Sie? Alle Leute!«
    Nach dieser Entscheidung zog sich der Verwalter zurück, worauf auch die Marquise wieder ihre Gemächer aufsuchte und der Graf Ashton sich zu seinen Hunden im Park zurückbegab.
    Scarlett mußte sich sofort mit der ihm übertragnen Aufgabe befassen, obgleich er nicht zweifelte, daß das Portefeuille während der Fahrt von Newmarket nach dem Schlosse aus dem Wagen gefallen sein werde. Da seine Herrschaft aber einmal die Constatierung eines Diebstahls verlangte, so wollte er das thun… daß er einen Dieb entdeckte, so wollte er einen solchen ermitteln, und hätte er auch einen beliebigen Diener durch Auslosung bestimmen sollen.
    Nun mußten Lakeien, Kammerdiener und Kammerfrauen, der Küchenchef, die Kutscher und die Stallburschen vor dem gestrengen Schloßverwalter erscheinen. Natürlich betheuerten alle ihre Unschuld, und obwohl Scarlett sich über die Angelegenheit schon seine Ansicht gebildet hatte, ersparte er den Leuten doch nicht die verletzendsten Vorwürfe und drohte, sie der Polizei auszuliefern, wenn das Portefeuille nicht wieder zum Vorschein käme. Es war ja nicht allein eine Summe von hundert Pfund Sterling entwendet worden, sondern der oder die Diebe hatten auch Documente unterschlagen, die die Rechte des Lord Piborne in einem schwebenden Processe nachwiesen. Wie leicht konnte es ja einem der Leute einfallen, seinen Herrn zu Gunsten des Kirchspiels benachtheiligen zu wollen! Vielleicht wurde dieser gar bezahlt. Nun, wenn es gelang, die Hand auf den Uebelthäter zu legen, so durfte dieser auf eine Spazierfahrt nach den Strafanstalten der Insel Norfolk rechnen, denn Lord Piborne war mächtig genug, und einen so großen Herrn zu bestehlen galt etwa ebenso viel, als sich am Besitzthum eines Mitglieds des Königshauses zu vergreifen.
    Scarlett stellte das allen, die er wegen der Sache ausfragte, eindringlich vor. Leider wollte sich keiner zu dem Geständniß, der Urheber des Verbrechens zu sein, herbeilassen, und nach Beendigung der hochnothpeinlichen Befragung beeilte sich der Schloßverwalter, dem Lord von der Erfolglosigkeit seiner Bemühungen Kenntniß zu geben.
    »Die Leute stecken unter einer Decke, erklärte der Marquis, und wer weiß, ob sie den Raub nicht unter sich getheilt haben.
    – Ich glaube, daß Eure Herrlichkeit damit Recht haben, erwiderte Scarlett. Auf alle an die Dienerschaft gerichteten Fragen erhielt ich auch ganz gleichlautende Antworten, ein hinlänglicher Beweis, daß die Leute sich untereinander verstehen.
    – Haben Sie auch ihre Stuben, ihre Schränke und Koffer durchsucht, Scarlett?
    – Noch nicht. Eure Herrlichkeit werden einsehen, daß ich das mit Erfolg nur in Gegenwart eines Polizeibeamten vornehmen kann.
    – Das ist richtig, bestätigte Lord Piborne. Schicken Sie jemand nach Kanturk… oder besser, verfügen Sie sich selbst dahin. Natürlich darf keiner vor Beendigung der Untersuchung das Schloß verlassen.
    – Die Befehle Eurer Herrlichkeit werden ausgeführt werden.
    – Der Polizeibeamte soll nicht versäumen, einige Leute mitzubringen, Scarlett…
    – Ich werde ihm den Wunsch Eurer Herrlichkeit kund thun und er wird nicht verfehlen, diesem nachzukommen.
    – Sie werden auch meinen Sachwalter, Herrn Laird in Newmarket, benachrichtigen, daß ich

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