Der Flatbootmann
auftun, und sie fallen gleich mit dem Geschrei ›Abolitionist‹ über ihn her. Ich habe das einmal in New Orleans mitangesehen und möchte lieber einen Schwarm hungriger Wölfe hinter mir haben, als die Weißen in Louisiana, wenn sie auf einen Abolitionisten Jagd machen.«
»Hm, kann ich mir etwa denken! Aber wir sind doch noch in Amerika, und ein Weißer und Bürger der Vereinigten Staaten wird doch da hoffentlich reden dürfen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.«
»Über alles, was Ihr wollt«, sagte die Frau rasch, »nur, um Gottes willen, über nichts, was die Sklaverei betrifft. In den letzten Jahren ist die Erbitterung hier gegen den Norden nur immer mehr und mehr gestiegen, und die Leute hier unten fürchten auch wohl nicht mit Unrecht, daß die Schwarzen durch das viele Reden am Ende gar gegen sie aufgehetzt werden könnten. Hier und da will man sogar schon Verschwörungen unter den Negern entdeckt haben, und wie wir im vorigen Jahr hier unten waren, hängten sie drüben am anderen Ufer einmal an einem Nachmittag sieben Stück auf. Auch einen Weißen faßten sie dabei, der nur in einem Wirtshaus ganz beiläufig geäußert hatte, es sei das eine schändliche Grausamkeit, und die Schwarzen wären so gut Menschen wie wir; aber, lieber Himmel, wie setzten sie dem armen Teufel zu! Erst schleppten sie ihn hinaus und schlugen ihn, daß er aus keinem Auge mehr sehen konnte, und dann zogen sie ihn aus, strichen ihn über und über voll Teer und rollten ihn dann in einem Federbett herum. In diesem Zustand mußte der arme Mensch in den Wald flüchten, denn nachher wollten sie ihn sogar noch aufhängen.«
»Aber das war kein Amerikaner!« sagte Jack, dem das Blut schon in Zorn und Unmut in die Schläfe stieg.
»Kein Amerikaner?« sagte die Frau. »Gewiß so gut auf Onkel Sams Grund und Boden geboren wie Ihr und ich, noch dazu, wenn ich nicht irre, aus demselben Staat, aus dem Ihr seid, aus Illinois. Ja, ja, Jack, Ihr kennt die Südländer noch nicht, denn soviel ich weiß, kommt Ihr zum erstenmal hier nach Südamerika herunter. Da nehmt Euch denn in der Hinsicht besonders in acht. Kümmert Euch um nichts, was Ihr seht, Ihr könnt's doch nicht ändern, und redet besonders mit keinem Nigger über Sklaverei. Ich mein es gut mit Euch, Ihr dürft es mir glauben - nur eine gleichgültige Frage darüber an einen der Burschen kann Euch, wenn es zu den Ohren eines Weißen käme, in die schlimmsten Händel verwickeln.«
»Wunderliches Land das!« brummte Jack verdrießlich vor sich hin. »Soviel weiß ich aber, ich möchte nicht drin leben und will froh sein, wenn ich erst wieder kalten Boden unter mir habe. Doch meinetwegen, wenn sich die Schwarzen hier geduldig prügeln lassen und sind sieben zu einem, so geschieht's ihnen eben recht und sie verdienen's nicht besser. Mit der Zeit, denk ich, werden sie aber schon klüger werden, und in der Zeit möchte ich dann hier verdammt viel lieber in einer schwarzen als in einer weißen Haut stecken.«
Mit den Worten schob er die Arme in den ausgebesserten Rock hinein, drückte sich den alten, etwas arg mitgenommenen Strohhut in die Stirn, hängte die Kugeltasche um, nahm seine Büchse auf die Schulter und schlenderte langsam an Land, um den heutigen Tag in aller Ruhe und nach bester Bequemlichkeit, wie es eben gehen wollte, zu verbringen. Der Dackel, der Jack besonders ins Herz geschlossen hatte, wackelte, in Ermangelung besserer oder anderer Beschäftigung, hinter ihm drein.
3. Die Alligatoren
Es war ein wundervoller Morgen. Die Sonne brannte allerdings ein wenig heiß, doch bot das kleine Orangendickicht, das bis zum Fahrweg niederlief, erfrischenden Schatten, und der wunderbare Duft der Blüten erfüllte die Luft, während daneben die reifen Früchte in dem dunkelglänzenden Laub ordentlich funkelten und zum Genuß einluden. Jack pflückte sich hier vor allen Dingen ein halbes Dutzend, legte sich damit unter einen der Bäume und sog mit außergewöhnlichem Behagen den Saft derselben ein. Oben in den Städten am Ohio hatte er allerdings schon Apfelsinen zu Hunderten gegessen, es kam ihm aber so vor, als ob ihm noch nie eine so gut geschmeckt wie die, die er sich hier selber von den prachtvollen Bäumen abschlagen konnte. Das wurde er aber bald müde und sehnte sich jetzt danach, auch den Wald dieser Gegend kennenzulernen.
Für den wirklichen Jäger hat nämlich nichts einen so wunderbaren Reiz, als zum erstenmal einen fremden Wald zu betreten, in dem man doch noch dazu
Weitere Kostenlose Bücher