Der Flatbootmann
um den dahinterliegenden Wald oder eigentlich Sumpf zu betreten. Dort wollten sie ein paar Kugeln nach Alligatoren verschießen, denn ihre Büchsen haben derartige Burschen fast immer mit an Bord, und Jäger sind doch die meisten von ihnen.
Nur Jack, der Illinois-Mann, war noch zurückgeblieben, um seine Garderobe etwas instand zu setzen. Dazu wählte er sich vorn im Vorbau seinen Platz, um den schon recht warm niederfallenden Sonnenstrahlen nicht zu sehr ausgesetzt zu sein. Allerdings hatte sich diese Stelle eigentlich der Händler selber oder vielmehr Madame vorbehalten. Jack aber, ein guter, ehrlicher und gefälliger Bursche, war gerade deren Liebling und durfte manches tun, was sie den anderen eben nicht gestattet hätte. Er vor allen hackte ihr das Holz zur Feuerung klar, besserte den Herd aus, wenn irgend etwas daran beschädigt worden, und hatte außerdem das meiste Glück auf der Jagd. Selten ging er, wo sie irgendwo am Ufer anlegten, in den Wald, ohne einen wilden Truthahn oder gar einen Hirsch, wenigstens doch ein fettes Opossum mit an Bord zu bringen, und außerdem widersprach er ihr und ihrem Mann nie - eine Eigenschaft, die sie ganz besonders an ihm zu schätzen wußte.
Jack saß deshalb ganz behaglich unten im Boot, während der Händler oben an Deck mit einem ›Besuch‹ auf und ab ging. Der Aufseher der Plantage war nämlich an Bord gekommen, um mit dem Eigentümer eine ›Geschäftssache‹ zu besprechen und einen Handel über Baumwollballen abzuschließen, von denen gerade niemand etwas zu wissen brauchte, als eben die beiden. Im Verlauf der Unterredung stellte sich denn auch heraus, daß der würdige Overseer in einem kleinen Blockhaus, etwa zwei Meilen unterhalb, einen ganz hübschen Vorrat von ›eigenen Erzeugnissen‹, wie er es nannte, in Wirklichkeit aber nichts weiter als seinem Prinzipal gestohlenes Gut, aufgehäuft hatte und dafür jetzt von dem Händler den größtmöglichen Preis herauszubekommen suchte.
Beide wußten allerdings, daß der eine Flatbootmann an Bord sei, würden sich aber kaum vor ihm geniert haben. Derartige Bootsleute kümmern sich nie um das, was ihr Kapitän an Land treibt und was den Handel des Boots selber betrifft. Macht dasselbe gute Geschäfte, desto besser für sie, denn desto freigebiger ist nachher ihr ›Alter‹ mit dem ›Stoff‹, wie sie den Whisky gewöhnlich nennen. Außerdem bekommen sie ihre Fahrt monatsweise bezahlt; die müßigen Tage, die sie sich arbeitslos an Land herumtreiben und ihrem Vergnügen nachgehen können, zählen daher ebensogut wie die anderen und sind für sie reiner Gewinn.
Jack war nun allerdings eifrig mit seiner Arbeit beschäftigt und kümmerte sich auch nicht besonders viel um das über ihm geführte Gespräch. Er konnte aber auch nicht vermeiden, den größten Teil desselben mitanzuhören, und schüttelte nur manchmal still vor sich hin den Kopf, daß eine solche Masse betrügerisches Gesindel auf der Welt herumlief.
»Hier möcht ich auch Pflanzer sein«, murmelte er leise vor sich hin, »das Kleine stehlen die Neger und das Große die Aufseher selber, und was übrigbleibt, mag der Herr durchbringen. Hol der Henker die diebischen Schufte mit ihrem Menschenfleischhandel! Da lob ich mir die nördlichen Staaten unseres wirklich freien, glücklichen Landes. Hier in dem blutigen Süden muß man entweder ein Hund oder ein Seelenverkäufer sein, und zu beidem hätt ich keine besondere Lust.«
»Zu was hättet Ihr keine Lust, Jack?« sagte Mrs. Poleridge, die die letzten Worte gehört hatte und jetzt zu ihm trat.
»Die Jacke hier wieder zu flicken, wenn sie jetzt noch einmal reißen sollte«, meinte Jack trocken, indem er aufstand und das gerade beendete Kleidungsstück wieder ein wenig in Fasson schüttelte. Die ›Alte‹ brauchte gerade nicht zu wissen, was er von dem Handel dachte und daß er überhaupt darauf geachtet hatte.
»Und wollt Ihr nicht an Land gehen, Jack?«
»Ei gewiß, Ma'm«, lachte der junge Bursche, »konnte mich nur nicht in der zerlumpten Takelage vor den Leuten da drüben sehen lassen. Hätte mich ja wahrhaftig vor den Niggern schämen müssen, die doch alle wenigstens ganze Jacken auf ihrem Rücken tragen. Nicht wahr, sie müssen die Kittel immer erst ausziehen, wenn sie gepeitscht werden?«
»Pst, Jack«, sagte die Frau und hob warnend den Finger, »seid an Land entsetzlich vorsichtig mit solchen Bemerkungen, denn hier in den sklavenhaltenden Staaten darf ein Nordländer nur den Mund über so etwas
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