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Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Blick der alte frische Mut in sein Herz zurückgekehrt sei. Die eigene Gefahr hatte er vergessen, und mit der Sorge um das holde Wesen, das seinem Schutz sich willenlos überlassen, fühlte er auch die Kraft in sich, das Begonnene durchzuführen. Den Schwachherzigen selbst überkommt ein eigenes, sonst nicht einmal gekanntes Bewußtsein von Stärke, eine festere Zuversicht, wenn er noch einen Schwächeren, seiner Hilfe vertrauend, zu sich aufblicken sieht. Wieviel mehr denn mußte ein solches Gefühl den jungen tatkräftigen Mann erheben, der, an Gefahren von Jugend auf gewöhnt, nur in der zögernden Gefahr einen Augenblick gewankt. Seine Hand umspannte fester die treue Waffe, die er wieder auf der Schulter trug, und als das Mädchen jetzt an seiner Seite zum Boot hinabschritt, schaute er fest - doch trotzdem heimlich forschend - ringsumher.
    Aber nur fremde, gleichgültige Gesichter waren es, die ihm begegneten, und durch das wilde Drängen einer Menge von Müßiggängern hin, die stets ein anlegendes Boot belaufen, durch Kofferträger und das Boot verlassende Passagiere bahnte er sich, mit dem Mädchen an der Hand, mühselig den Weg an Deck.
    Übrigens hatte er keine Vorsicht versäumt und die Zeit, die ihm in Natchez geblieben war, vortrefflich genutzt, seinen Schützling durch nichts auffällig zu machen. Das etwas zu weite Kleid der alten würdigen Mrs. Poleridge war mit einem passenden vertauscht worden, ein neues Bonnet schützte ihr Gesicht gegen die Sonnenstrahlen sowohl wie den neugierigen Blick der Menge, und leichte Handschuhe verhüllten die verräterische Farbe der Nägel.
    War es den beiden dann auch am Anfang noch ein unbehagliches Gefühl an Bord, ehe sie ihre sämtlichen Mitpassagiere gemustert und sich überzeugt hatten, daß nur Fremde sie umgaben, so wich das doch bald einer größeren Sicherheit. Nur jetzt erst einmal die Plantage hinter sich und aus der unmittelbaren Nähe ihrer gefährlichen Feinde, und alles Schwere war dann überstanden. Allerdings hatte Jack gehofft, schon am vorigen Abend ein stromauf gehendes Boot zu finden, wo sie dann in der Nacht jene ihnen gefährliche Gegend passiert und mit Tagesanbruch weit hinter sich gelassen hätten. Derartige große Boote, wie das war, auf dem sie sich jetzt befanden, legen aber nur selten unterwegs an einzelnen Plantagen an. Dadurch verringerte sich ihre Gefahr; was ihnen aber auch drohte, sie mußten den Weg hier zurücklegen, um rasch in freies Land zu kommen.
    Die ›Queen of the West‹, wie der Dampfer hieß, arbeitete indessen mit voller Kraft gegen die starke Strömung des Mississippi an, und während sich Sally ein dunkles Eckchen im Zwischendeck gesucht, ging Jack hinaus auf das Vorderdeck, um die dortigen Leute zu mustern.
    Vom Vorderdeck nieder stieg jetzt ein älterer Herr, der auf der nächsten Plantage an Land gesetzt sein wollte. Die Kajütenwärter trugen sein Gepäck hinter ihm her; die ›Deckhands‹ oder Matrosen hatten indessen das Boot längsseits geholt, das er bestieg und an Land gerudert wurde. Indessen arbeitete die Maschine nur langsam gegen den Strom an, eben genug, um nicht zurückgetrieben zu werden, und das gewaltige Boot lag ziemlich still auf dem Wasser.
    Eine kleine Flotte von Flatbooten kam indessen mit der Flut herab, und die Leute an Bord arbeiteten aus Leibeskräften, dem Dampfer auszuweichen, der nicht gut weiter nach dem Land zu hinüberhalten konnte. Die ›Queen of the West‹ ging wenigstens siebzehn Fuß im Wasser, und das Ufer schien nach dort zu ziemlich seicht.
    Jack hatte mit dem eigenen Interesse, das er für diese Boote fühlte, sie rasch gemustert. Freilich war es schwer, sie untereinander zu kennen, da sie - alle gleichmäßig von ungehobelten Planken nach einer Form zusammengenagelt - sich nur hier und da in der Größe etwas voneinander unterscheiden. Auch die Mannschaft derselben geht ziemlich gleich, an Bord nur einfach in Hose und Hemd gekleidet, und wenn nicht manchmal eins oder das andere absichtlich einen weißen oder roten Streifen um das Boot herum malt oder eine kleine Flagge führt, sind sie sehr schwer auseinanderzuhalten.
    Auf dem vordersten, das jetzt rasch herabkam, stand allerdings eine Figur am Steuer, die von weitem dem alten Poleridge glich. Das Boot selber trug einen weißen breiten Streifen und keine Fahne; es war also nicht das seine. Jacks Blick flog schon nach den anderen hinüber, als ein kleiner Hund auf dem ersten sichtbar wurde, der gegen das schnaubende

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