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Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Ma'm, und wenn Sie die Decke, die da drinnen liegt, als Kopfkissen benutzen wollen, soll's mich freuen - Sie werden so noch hart genug liegen.«
    »Dank Euch, Freund«, sagte Jack, des Mannes Hand ergreifend und schüttelnd.
    »Unsinn«, brummte dieser, »'s ist gern geschehen.«
    Dabei drehte er sich ab, streckte sich auf einer der nächsten Kisten aus und war bald trotz der unbequemen Lage sanft und süß eingeschlafen.
    Jack bereitete indessen seinem Schützling das Lager auf dem ihr überlassenen Schlafplatz, hüllte die müden Glieder des armen Mädchens in die wollene Decke ein und ging dann selber vor zu den Heizern, um sich an deren Feuer die naßgewordenen Kleider wieder zu trocknen.

8. Salomo
    Momentan hatten sie allerdings gar nichts für ihre Sicherheit zu fürchten. Sally war weiß genug, um in keinem, der sie nicht persönlich kannte, auch nur den Verdacht aufkommen zu lassen, daß Negerblut in ihren Adern fließe. Nur an den Fingernägeln bleibt gewöhnlich bei den Quadroonen noch ein matter, dunkler Schein, verräterisch die Abstammung zu künden. Aber selbst das war so unbedeutend, daß es nur dem genauen Beobachter aufgefallen wäre, während Sally das selber wußte und sich wohl davor hüten konnte.
    Jack aber, trotz der furchtbaren Anstrengung der letzten Nacht, trotz der Aufregung, in der er sich fortwährend befunden, konnte selbst nicht schlafen. Zum erstenmal, zwischen all den fremden Menschen, in deren Gewalt er sich rettungslos befand, sowie sie nur das am letzten Tag Geschehene geahnt, wurde ihm die Gefahr klar, der er sich ausgesetzt. Solange die Aufregung selber dauerte, hatte diese kein anderes Gefühl in ihm aufkommen lassen, als das, seinen Verfolgern zu entgehen. Jetzt aber, in dem Zustand von Ruhe, den er genoß, mit keiner unmittelbaren Gefahr mehr, die ihn bedrohte, kühlte sich sein Blut auch ab, und er begann zum erstenmal zu überlegen. Mitten in den Sklavenstaaten, in diesem Augenblick sogar noch weiter und weiter auf dem flüchtigen Boot gegen Süden schnaubend, war er auch jede Stunde der Gefahr ausgesetzt, daß irgend jemand das Mädchen erkenne oder Verdacht über ihre Abkunft schöpfe. Entweder mußte er sich dann von ihr lossagen oder - Rechenschaft von ihr geben, das eine aber wollte, das andere konnte er nicht, und einmal erst den Verdacht auf sich gelenkt, war er verloren. Der morgige Tag mußte ebenfalls die glückliche Flucht wie den Mord des Aufsehers aufdecken, und wenn er sich über den letzteren auch nicht die geringsten Gewissensbisse machte, wußte er doch recht gut, daß ein entsetzlicher Lärm darüber entstehen werde und die Zeitungen so rasch als irgend möglich die Tatsache, mit der genauen Beschreibung des flüchtigen Mädchens, verbreiten würden.
    Zu keiner Zeit war dabei in den südlichen Staaten die Aufregung gegen den Norden größer gewesen als gerade jetzt; zu keiner Zeit hatten die Sklavenhalter ihre vermeintlichen Rechte unnachsichtlicher überwacht als in den letzten Monaten. Mit furchtbarer Strenge waren alle Neger, gegen die nur der geringste Verdacht vorlag, meuterische Absichten zu hegen, bestraft worden; mit dem größten Eifer hatte man alles verfolgt, was nur mit dem Abolitionistentreiben im Norden in der geringsten Verbindung stehen konnte, und Versammlungen waren fast in allen größeren Städten des Südens abgehalten worden, um einander in dieser Hinsicht mit allen nur zu Gebote stehenden Kräften zu unterstützen. Das alles hatte er schon vor ihrer Abreise im Norden gehört, und die Warnung des Alten, sich um Gottes willen in acht zu nehmen, daß er nicht gehängt würde, fiel ihm in diesem Augenblick mit aller Schärfe wieder ein.
    Keinesfalls gedachte er weiter den Strom hinabzugehen als irgend nötig, und schon mit Tagesanbruch bot sich ihm eine passende Gelegenheit, einen Landeplatz zu finden. Der einzige Schutz, den er vorderhand erwarten konnte, war, wie er recht gut wußte, nur in einer großen Stadt, und als er von einem der Bootsleute hörte, daß sie etwa mit Sonnenaufgang Natchez, die bedeutendste Stadt in Mississippi, erreichen würden, beschloß er, dort mit seinem Schützling an Land zu gehen. Noch konnte die Nachricht der entflohenen Sklavin nicht hierhergelangt sein, und jeden Tag, ja oft drei-, viermal des Tags hatte er in einer solchen Stadt Gelegenheit, ein stromaufgehendes Boot zu benutzen.
    Mit Tagesanbruch kam der Buchführer aus seiner Kajüte herunter, die in Natchez ausgehende Fracht wie etwa das Boot

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