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Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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ihm tobten, und hier unten hätte er sich kaum mäßigen können, dem ersten besten Fremden um den Hals zu fallen und ihm zu sagen, wie froh, wie glücklich er sei. Als er aber nach einer Stunde wieder herunterkam, trat ihm das Mädchen mit heiterem Lächeln froh entgegen. Aller Gram, aller Kummer war aus den lieben holden Zügen der Jungfrau gewichen und selbst die Spur der letzten Träne verwischt und aufgetrocknet.
    Und so verging ihnen jetzt im raschen Flug die Zeit. Die Tage verplauderten sie zusammen, und Jack mußte dem Mädchen von dem Leben erzählen, das sie oben im Norden führen, von den Feldern, die sie bebauen, und die nicht mit Negerblut und Schweiß gedüngt waren; von dem freundlichen Familienleben dort, von seinen Eltern und Geschwistern und dem wunderschönen Land mit seinen weiten, herrlichen Prärien und waldbewachsenen Hügeln. Aber nachts lag Jack, in seine Decke eingehüllt, vor ihrer Koje und hielt treue Wacht und sorgte für das Mädchen, wie er es dem alten Neger versprochen, als ob sie seine eigene Schwester sei.
    Fünf Tage waren solcherart verstrichen, und wenn Jack am Anfang auch noch immer ein unbehagliches Gefühl überkommen wollte, sobald sie an irgendeiner größeren Stadt landeten, oder irgendein Boot vom Ufer ab kam, um neue Passagiere an Bord zu holen, so verlor sich das doch bald. Sie näherten sich dem Norden; hinter ihnen lag schon Arkansas und der Mississippistaat, zur Linken dehnte sich Missouri aus, ihnen zur Rechten zogen sich die bewaldeten Berge Kentuckys hin. Weiter und weiter brauste das wackere Boot stromauf, und wie die Sonne wieder unterging, da nahm Jack freundlich Sallys Hand und führte sie zum erstenmal mit sich zum Hurricane-Deck hinauf, von wo sie die weiten Ufer überschauen konnten. Er war aber so sonderbar aufgeregt dabei, wie ihn das Mädchen noch nie gesehen, und Sally blickte staunend zu ihm auf. Da endlich streckte er den Arm aus und sagte, nach dem rechten Ufer deutend, mit zitternder, bewegter Stimme:
    »Siehst du dort, mein Herz! Siehst du den breiten schönen Strom, der dort, von Osten niederkommend, sich in den Mississippi wälzt? An seiner Mündung liegt die kleine Stadt da vorn.«
    »Gewiß«, lautete die schüchterne Antwort des Mädchens, das sich die Bewegung des Mannes nicht erklären konnte.
    »Das ist der Ohio«, rief da Jack, »und jenes Land dort drüben, das unser Bug in keiner halben Stunde Zeit berühren wird, ist Illinois, der erste freie Staat und künftig unsere Heimat. Dort drüben landen wir, und noch heute abend führt uns eins der kleinen Ohioboote, die du dort liegen siehst, den wunderschönen Strom hinauf und in die Arme meiner Eltern - meines Vaters - meiner Mutter.«
    »Vater - Mutter«, flüsterte das Mädchen leise und traurig vor sich hin, »wie süß, wie lieb die Namen dem Ohre klingen - und ich habe nie Vater - nie Mutter sagen dürfen!«
    »Du sollst es lernen, Mädchen«, sagte da der junge Mann, in tiefster Seele von den rührenden Tränen bewegt, »mein Vaterhaus, du armes Kind, sei auch von jetzt das deine, und jetzt, wo du frank und frei bist, wo dich kein Sklavenhalter suchen und finden wird, und wenn sie dich fänden, dich nie wieder mir entreißen sollten, frag ich dich, Mädchen, willst du die Meine - willst du mein Weib sein, mein braves, liebes Weib in Freud und Leid, was immer für uns auch kommen möge?«
    Sally erblaßte, und die großen blauen Augen schüchtern und staunend zu ihm erhebend, sagte sie:
    »Die Sklavin wolltet Ihr zu Eurem Weib erheben?«
    »Oh, nenne das Wort nicht mehr!« bat Jack, ihre Hand ergreifend und in der seinen haltend. »Wie ich dich deinen Henkersknechten entführt, will ich dir auch und werd ich dir die Freiheit sichern, und müßte ich selber mit dir nach Kanada hinüberziehen. Aber seit ich dich zum erstenmal gesehen, bin ich dir gut, von Herzen gut, mein Mädchen. Der Eltern Segen aber ist mit uns, sie kennen mich und werden meine Wahl billigen; haßt doch mein Vater nichts so sehr auf der Welt wie den sklavenhaltenden Süden. So denn, schlag ein, Sally - willst du die Meine sein?«
    Er hatte zum erstenmal den Arm liebend um sie gelegt und fühlte, wie der schlanke Körper in der Berührung zitterte und bebte. Sally sprach kein Wort, kein Hauch entfloh den lieben Lippen, aber sie lehnte den Kopf an des Mannes treue Brust, und fest umschlossen hielt der Glückliche das geliebte Mädchen.

10. Schluß
    Drei Jahre waren nach den zuvor beschriebenen Vorfällen verflossen und

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