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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Universums habt ihr da, Claudia? Deine eigene Person mitgezählt? Hähähä.« Er schüttelte sich vor Lachen, so daß seine Augen in den Falten seiner Nase verschwanden, und Claudia lachte mit.
    »Ich bin Australier«, fuhr Jim fort. »Mein Ur-Urgroßvater kam aus Irland. Er war ein Mörder und ein Dieb. Hähähä. Wußtet ihr, daß sich die Leute früher nur ungern eingestanden haben, daß sie von Strafgefangenen abstammten? Auch wenn das mehr als hundert Jahre zurücklag? Ich bin immer stolz darauf gewesen. Sie waren es doch, die gemeinsam mit ein paar Matrosen dieses Land aufbauten. And a fine country it is. Wir nennen es hier unten ›the lucky country‹. Ja, ja, die Dinge ändern sich. Inzwischen ist es hoch angesehen, wennman seine Ahnen bis zu den Strafgefangenen zurückverfolgen kann. Hähähä. Häßliche Sache mit Andrew, nicht wahr?«
    Jim redete wie ein Wasserfall. Es gelang Harry und Birgitta lediglich, ein paar kurze Sätze zu erwidern, bevor er weiterplätscherte. Und je schneller er sprach, desto langsamer fuhr er. Wie David Bowie auf Harrys altem Cassettenrecorder. Als kleiner Junge hatte er von seinem Vater einen batteriebetriebenen Cassettenrecorder bekommen, der immer langsamer lief, je lauter man die Musik stellte.
    »Andrew und ich haben zusammen bei Jim Chivers geboxt. Wußtet ihr, daß sich Andrew nie seine Nase gebrochen hat? No, Sir, die hat niemals einer zu packen gekriegt. Die haben ja so schon ganz flache Nasen, diese Aborigines, vielleicht hat sich deshalb nie jemand wirklich Gedanken darüber gemacht. Aber innerlich war Andrew heil und ganz. Ein heiles Herz und eine heile Nase. Na ja, so heil wie ein Herz sein kann, wenn man als Säugling von den Behörden entführt worden ist. Das heißt, sein Herz war nach dem Aufstand, den es rund um die australische Meisterschaft in Melbourne gegeben hat, nicht mehr ganz so heil. Ihr habt sicher davon gehört? Da hat er einiges verloren, ja.« Sie fuhren jetzt nicht einmal mehr vierzig.
    »Diese Tussi von Campbell, dem Champion, war ganz verrückt nach Andrew, aber sie war wohl schon ihr ganzes Leben so dermaßen mit Schönheit verwöhnt, daß sie es ganz einfach nicht gewohnt war, abgewiesen zu werden. Hätte sie damit umgehen können, dann hätte alles so von Grund auf anders laufen können. Aber als sie an diesem Abend an Andrews Zimmertür klopfte, und er sie höflich aufforderte zu verschwinden, verkraftete sie das nicht und rannte statt dessen zu ihrem Geliebten und behauptete ihm gegenüber, Andrew habe sie angemacht. Sie riefen ihn in seinem Zimmer an und baten ihn, hinunter in die Küche zu kommen. Noch immer kursieren die wildesten Gerüchte über die Prügelei dort unten. Andrews Leben landete danach auf einem Abstellgleis.Aber seine Nase haben sie nie gekriegt. Hähähä. Seid ihr zusammen?«
    »Nein, das kann man nicht gerade sagen«, stammelte Harry.
    »Ihr seht so aus«, sagte Jim und schaute sie über den Rückspiegel an. »Ihr wißt es vielleicht selber nicht, aber obgleich ihr beide durch den Ernst der Stunde ein bißchen mitgenommen ausseht, habt ihr dieses Feuer in den Augen. Korrigiert mich, wenn ich etwas Falsches sage, aber ihr seht aus wie Claudia und ich, als wir frisch verliebt waren. So etwa die ersten zwanzig, dreißig Jahre. Hähähä. Jetzt sind wir nur noch verliebt. Hähähä.«
    Claudia schaute ihren Mann mit glänzenden Augen an.
    »Ich habe Claudia auf einer der Tourneen getroffen. Sie trat als Schlangenmensch auf. Sie kann sich noch heute wie ein Briefumschlag zusammenfalten. Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich mit diesem dicken Buick will. Hähähä. Ich machte ihr über ein Jahr lang den Hof, bis ich ihr endlich einen kleinen Kuß geben durfte. Und dann erzählte sie mir, daß sie sich auf den ersten Blick in mich verliebt hätte. Allein das war ja schon sensationell, wenn man bedenkt, daß meine Nase, hier, schon damals mehr Kloppe gekriegt hatte als Andrews in ihrem ganzen Leben. Aber daß sie tatsächlich ein liebes langes Jahr lang die Prüde gespielt hat? Frauen rauben mir manchmal wirklich den letzten Nerv. Was meinst du, Harry?«
    »Ja«, sagte Harry, »ich verstehe, was du meinst.«
    Er blickte Birgitta an. Sie lächelte vorsichtig.
    Nachdem sie eine Dreiviertelstunde für eine Strecke gebraucht hatten, die man normalerweise in zwanzig Minuten zurücklegt, fuhren sie die Rampe zur Town Hall hinauf. Harry und Birgitta bedankten sich für den Lift und stiegen aus. Der Wind hatte auch in der City

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