Der Fledermausmann
meinst du das?«
»Ich hatte eine Frau, die ihren Mann wegen seines besten Freundes verlassen hatte.«
»Und für sie warst du ein Mensch, der sich ohne moralische Skrupel seines Freundes bedient hatte, um sie zu gewinnen.«
»Genau. Und das sollte immer zwischen uns sein. Zwar ein bißchen unter der Oberfläche, aber trotzdem schwelte das immer irgendwie wie eine unausgesprochene, gegenseitige Verachtung. Als hätten wir gemeinsam einen feigen Mord begangen.«
»Du mußtest dich also mit einem Verhältnis begnügen, in dem nicht alles perfekt war. Willkommen in der Wirklichkeit!«
»Versteh mich nicht falsch! Ich glaube eher, daß uns unsere gemeinsamen Sünden irgendwie fester miteinander verbunden haben. Und ich glaube, daß wir uns damals wirklich eine Weile lang geliebt haben. Einige Tage waren . . . perfekt. Wie ein Wassertropfen oder ein schönes Gemälde.«
Birgitta lachte.
»Ich mag es, wenn du redest, Harry. Deine Augen glänzenrichtig, wenn du davon erzählst. Als wenn du wieder da wärst. Sehnst du dich manchmal zurück?«
»Zu Kristin?« Harry dachte nach. »Manchmal sehne ich mich in die Zeit zurück, die wir miteinander hatten, aber zu Kristin? Die Menschen verändern sich. Die Person, nach der man sich sehnt, gibt es vielleicht gar nicht mehr. Verdammt, man verändert sich ja selbst auch. Wenn man erst einmal etwas erlebt hat, ist es zu spät, man bekommt nie wieder das Gefühl, das man hatte, als man es zum ersten Mal erlebte. Es ist schade, aber so ist das ganz einfach.«
»Wie zum ersten Mal verliebt zu sein?« sagte Birgitta leise.
»Wie zum ersten Mal . . . verliebt zu sein«, wiederholte Harry und streichelte über ihre Wange. Dann holte er wieder tief Luft:
»Es gibt etwas, um das ich dich bitten möchte, Birgitta. Einen Gefallen.«
Die Musik war ohrenbetäubend laut, so daß sich Harry zu ihm hinüberlehnen mußte, um etwas zu verstehen. Teddy schwärmte von seinem neuen Sternchen, Melissa, einer Neunzehnjährigen, die gerade dabei sei, die Bude auf den Kopf zu stellen, und Harry konnte ihm da kaum widersprechen.
»Gerüchte. Es gibt nichts Wichtigeres, weißt du«, sagte Teddy, »du kannst annoncieren soviel du willst oder neue Marketingkonzepte erarbeiten, das einzige, was wirklich etwas bringt, sind Gerüchte.«
Und das Gerücht hatte sich offensichtlich verbreitet, denn zum ersten Mal seit langem war es in dem Club brechend voll. Nach Melissas Cowboy-und-Lasso-Nummer standen die Männer auf den Stühlen, und sogar die wenigen Frauen applaudierten höflich.
»Siehst du«, sagte Teddy, »aber glaub nicht, daß das so gut ankommt, weil das keine normale Stripteasenummer ist, denn das ist es, so wahr ich hier stehe. Wir haben hier sicherschon ein Dutzend Mädchen gehabt, die genau die gleiche Show abgezogen haben, ohne daß auch nur einer mit der Augenbraue gezuckt hätte. Es gibt zwei Dinge, weshalb das diesmal anders gelaufen ist: Unschuld und Einfühlungsvermögen.«
Die Erfahrung sagte Teddy aber auch, daß solche Popularitätsschübe schnell wieder vorbeigingen. Zum einen war das Publikum ständig auf der Suche nach etwas Neuem, und zum anderen hatte diese Branche die häßliche Angewohnheit, ihre eigenen Kinder zu fressen.
»Ein guter Striptease verlangt Enthusiasmus, weißt du«, schrie Teddy durch den Lärm der Discomusik. »Nur ganz wenige dieser Mädchen können sich diesen Enthusiasmus lange bewahren. Dafür müssen sie zu hart arbeiten. Vier Shows und das jeden fucking day. Da fängt man schnell an, sich zu langweilen und das Publikum zu vergessen. Das habe ich schon viel zu oft miterlebt. Egal wie angesagt sie sind, ein trainiertes Auge sieht genau, wann ein Sternchen seinen Glanz verloren hat.«
»Wie das denn?«
»Nun, das sind Tänzerinnen, nicht wahr? Sie müssen auf die Musik hören, sich in sie vertiefen, verstehst du, und wenn sie beginnen, einen Tick zu schnell zu sein und ein bißchen vor dem Rhythmus liegen, ist das nicht etwa ein Zeichen, daß sie übereifrig sind, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern im Gegenteil, daß sie es leid sind und schnell fertig werden wollen. Außerdem werden die Bewegungen verkürzt und nur noch angedeutet. Das ist, wie wenn man einen Witz schon zu oft erzählt hat; man beginnt, die kleinen, aber wichtigen Details auszulassen, weil man schnell zur Pointe kommen will. So etwas ist verdammt schwer zu beheben, die Körpersprache spricht immer die Wahrheit, und das färbt dann auf das Publikum ab, weißt du, und um
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