Der Fledermausmann
hereinkamen. Sie bediente einen Gast und kam zu ihnen herüber. Ihre Augen waren auf Harry gerichtet.
»Hei«, grüßte sie.
Harry spürte, daß er einfach nur Lust hatte, in ihren Schoß zu kriechen und dort einzuschlafen.
»Zwei doppelte Gin Tonic, im Namen des Gesetzes«, sagte Andrew.
»Bring mir lieber einen Grapefruitsaft«, sagte Harry.
Sie servierte ihnen die Getränke und lehnte sich über den Tresen.
»Danke für den schönen Abend«, flüsterte sie Harry auf Schwedisch zu. Im Barspiegel hinter ihr sah er sein eigenes idiotisches Grinsen.
»He, he, keine skandinavischen Turteleien bitte, ja? Solange ich die Drinks zahle, wird hier englisch gesprochen.« Andrew schaute sie streng an.
»Und jetzt werde ich euch zwei Jungspunden etwas erzählen. Die Liebe ist ein größeres Mysterium als der Tod.«
Er machte eine Kunstpause.
»Onkel Andrew wird euch eine uralte australische Legende erzählen, die Geschichte von der Riesenschlange Bubbur und Walla.«
Sie rückten näher zusammen, und Andrew schmatzte zufrieden, als er sich seine Zigarre anzündete.
»Es war einmal ein junger Krieger mit Namen Walla, der bis über beide Ohren verliebt war in die junge, hübsche Moora. Und sie liebte ihn. Walla hatte die Einweihungszeremonie seines Stammes bestanden, er war ein Mann und durfte sich deshalb mit jeder Frau des Stammes verheiraten, vorausgesetzt sie wollte ihn und war nicht bereits die Frau eines anderen. Und Moora wollte. Walla gelang es kaum noch, sich von seiner Angebeteten zu trennen, aber die Tradition forderte von ihm, auf eine Jagdexpedition zu gehen, deren Beute als Geschenk den Brauteltern darzubringen war. Vorherkonnte die Hochzeit nicht stattfinden. Eines schönen Morgens, Tau lag auf den Blättern, zog Walla los. Moora gab ihm eine weiße Kakadufeder, die er sich in die Haare steckte.
Während Walla fort war, machte sich Moora daran, Honig für das Fest zu suchen. Dieser war nicht so leicht zu finden, und sie mußte sich weiter vom Lager entfernen, als sie das normalerweise tat. Sie kam schließlich zu einem Tal mit großen Steinen. Über diesem Tal lag eine wundersame Ruhe, nicht ein Vogel, ja nicht einmal ein Insekt war zu hören. Sie wollte gerade weitergehen, als sie ein Nest mit großen weißen Eiern entdeckte. Es waren die größten Eier, die sie jemals gesehen hatte. ›Die muß ich für das Fest einsammeln‹, dachte sie und streckte ihre Hand aus.
Im gleichen Moment hörte sie etwas Großes über die Steine gleiten, und noch bevor sie davonkommen oder den Mund öffnen konnte, hatte sich eine riesige braungelbe Schlange um ihre Taille gewunden. Sie kämpfte, aber es gelang ihr nicht, sich zu befreien, und die Schlange begann, sich immer enger um sie zu schlingen. Moora schaute zu dem blauen Himmel über dem Tal hinauf und versuchte Wallas Namen zu rufen, aber sie hatte keine Luft mehr in den Lungen, um einen Ton über die Lippen zu bringen. Der Würgegriff der Schlange wurde härter und härter, und schließlich war alles Leben aus ihr herausgepreßt und alle Knochen in ihrem Leib zermalmt. Dann glitt die Schlange zurück in den Schatten, aus dem sie gekommen war. Dort konnte man sie nicht erkennen, denn die Farben der Schlange waren eins mit dem Schattenspiel des Lichts unter dem Baum und auf den Steinen.
Es vergingen zwei Tage, bis sie ihren zermalmten Körper zwischen den Steinen in dem Tal fanden. Ihre Eltern waren untröstlich, und die Mutter weinte und fragte den Vater, was sie nur Walla sagen sollten, wenn er nach Hause kam.«
Andrew sah mit glänzenden Augen zu Harry und Birgitta.
»Das Lagerfeuer war gerade im Begriff auszugehen, alsWalla beim nächsten Morgengrauen von der Jagd zurückkehrte. Obwohl es eine strapaziöse Reise gewesen war, waren seine Schritte leicht, und seine Augen glänzten vor Glück. Er ging zu Mooras Eltern hinüber, die schweigend am Feuer saßen. ›Hier sind meine Gaben für euch‹, sagte er. Und seine Jagdausbeute war gut, er brachte ein Känguruh, ein Wombat und die Schenkel eines Emus mit.
›Du kommst rechtzeitig zur Beerdigung, Walla, du, der du unser Sohn hättest werden sollen‹, sagte Mooras Vater. Walla sah aus, als habe ihm jemand ins Gesicht geschlagen, und er konnte seine Trauer und seinen Schmerz kaum mehr verbergen, doch als hartgesottener Krieger hielt er seine Tränen zurück und fragte kalt: ›Warum habt ihr sie noch nicht beerdigt?‹ ›Weil wir sie erst heute gefunden haben‹, erwiderte der Vater. ›Dann werde ich sie
Weitere Kostenlose Bücher