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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Armen.
    »Ich glaube, ich weiß, was du dir wünschst«, sagte Harry. »Du wünschst dir, daß ich dir mehr von mir erzähle.«
    Birgitta schmiegte ihren Kopf an seinen Hals. »Ich weiß, daß du das nicht gerne tust«, sagte sie, »ich habe nur das Gefühl, daß ich alles, was ich von dir weiß, aus dir herausquetschen mußte. Daß deine Mutter eine liebe und gute Frau war und halb Samin und daß sie vor sechs Jahren gestorben ist. Daß dein Vater Lehrer ist und deinen Beruf nicht mag, davonaber nie etwas sagt, und daß der Mensch, den du über alles in der Welt liebst, deine Schwester, geringfügig am Down-Syndrom leidet. Ich mag es, so etwas von dir zu wissen. Aber ich möchte, daß du das erzählst, weil du es erzählen willst.«
    Harry streichelte ihren Nacken.
    »Willst du etwas Richtiges wissen? Ein Geheimnis?« Sie nickte.
    »Aber Geheimnisse teilen, das verbindet«, flüsterte Harry in ihre Haare, »und nicht immer hört man das, was man sich wünscht.«
    Sie standen still im Flur. Harry hielt den Atem an.
    »Ich war mein ganzes Leben von Menschen umgeben, die mich gern hatten. Ich habe immer alles bekommen, wonach ich gefragt habe. Ich habe, mit anderen Worten, keine Erklärung dafür, warum ich das wurde, was ich bin.«
    Ein Windhauch vom Fenster strich Harry so mild und leicht über die Haare, daß er die Augen schließen mußte. »Alkoholiker.«
    Er sprach das Wort hart und ziemlich laut aus. Birgitta schmiegte sich regungslos an ihn.
    »Es gehört schon einiges dazu, einem öffentlichen Beamten in Norwegen zu kündigen. Unfähigkeit alleine reicht nicht aus, Faulheit existiert nicht und deinen Chef kannst du soviel beschimpfen wie du willst, no problem. Ehrlich gesagt, du kannst so ziemlich alles machen, das Recht ist meistens auf deiner Seite. Nur nicht trinken. Wenn du mehr als zweimal betrunken im Polizeidienst erscheinst, ist das Grund genug für eine fristlose Kündigung. Eine Zeitlang war es leichtes die Tage zu zählen, an denen ich nüchtern erschienen bin.«
    Er nahm seinen Arm weg und schob sie ein Stück von sich weg. Er wollte ihre Reaktion sehen. Dann zog er sie wieder an sich.
    »Trotzdem, alles ging irgendwie seinen Weg, und diejenigen, die etwas ahnten, schauten weg. Manch einer hätte vielleicht etwas sagen sollen, aber Loyalität und Zusammenhaltwerden bei der Polizei großgeschrieben. Eines Abends fuhren ein Kollege und ich zu einer Terrassenwohnung oben am Holmenkoll å s, um einem Kerl ein paar Fragen zu einem Mord im Drogenmilieu zu stellen. Er wurde nicht einmal verdächtigt, aber als wir vor seiner Tür standen und klingelten und sahen, wie er mit einem Wahnsinnstempo aus der Tiefgarage geschossen kam, warfen wir uns in den Wagen und nahmen die Verfolgung auf. Mit Blaulicht auf dem Dach rasten wir mit einhundertzehn den S ø r kedalsvei hinunter. Es ging ein bißchen nach rechts und links, und wir fuhren ein paarmal auf die Bordsteinkante, und mein Kollege fragte, ob nicht vielleicht er fahren sollte, aber ich war so sehr damit beschäftigt, mich von dem Mann nicht abhängen zu lassen, daß ich das einfach mit einer Geste abtat.«
    Was später geschehen war, wußte er nur aus Erzählungen. In der Höhe von Vindern war ein Auto aus einer Tankstellenausfahrt gekommen. In dem Auto hatte ein Junge gesessen, der gerade erst den Führerschein gemacht und an der Tankstelle Zigaretten für seinen Vater geholt hatte. Die beiden Polizisten waren mit dem Wagen kollidiert und hatten ihn mit sich durch den Zaun auf die Schienen gerissen. Dabei hatten sie einen Unterstand bei der Bushaltestelle niedergemäht, unter dem noch zwei Minuten zuvor sechs Menschen gewartet hatten. Auf dem Gleis am anderen Ende der Schienen hatte ihre Fahrt ein abruptes Ende gefunden. Harrys Kollege war durch die Windschutzscheibe geschleudert worden. Er wurde zwanzig Meter weiter vorne neben den Schienen gefunden. Mit seinem Kopf hatte er ein Schild getroffen, das durch die Wucht abgeknickt war. Sie hatten seine Fingerabdrücke nehmen müssen, um ihn zu identifizieren. Der Junge in dem anderen Auto war vom Hals ab gelähmt.
    »Ich habe ihn an einem Ort namens Sunn å s besucht«, sagte Harry, »er träumt noch heute davon, eines Tages wieder Auto zu fahren. Mich haben sie mit gebrochenem Schädel undschweren inneren Blutungen im Auto gefunden. Ich bin ein paar Wochen lang künstlich beatmet worden.
    Mutter kam jeden Tag zusammen mit meiner Schwester. Sie saßen an meinem Bett und hielten meine Hand. Vater kam abends,

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