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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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konnten, weit draußen mitten auf dem Ozean war, es sei denn, wir fänden Mittel und Wege, unseren Gestank irgendwie zu übertünchen. Also segelten wir ziellos über das Meer, rationierten das Bier und warteten ab. Wir warteten und warteten und warteten. Hin und wieder passierte etwas, das die Eintönigkeit erträglicher machte. Wenn sich zum Beispiel ein Piratenschiff an uns heranschlich und uns zu entern versuchte, war das immer ganz lustig. Oder kaum ging einer von uns schwimmen, sah man eine Stunde später vor lauter toten Fischen die Wasseroberfläche nicht mehr. Gar nicht zu reden von dem Scharmützel, das wir mit der spanischen Armada hatten. Mann, hatten wir einen Spaß mit denen! Aber Sie dürfen mich nicht falsch verstehen, es gab wirklich nur gelegentliche Höhepunkte, die meiste Zeit haben wir uns schrecklich gelangweilt.
    Nach drei Monaten waren wir vor lauter Langweile und gegenseitiger Abneigung derart von der Rolle, daß wir beschlossen, uns mitsamt dem Schiff in die Luft zu sprengen. Natürlich klappte das nicht. Das Schiff flog zwar in die Luft, wir aber nicht. Wir trieben im Wasser herum, und kurz darauf war die Anzahl toter Fische derart beschämend, daß wir uns entschlossen, lieber ein Stück zu schwimmen, um nicht sämtlichen Fischern auf dem Atlantischen Ozean die Existenzgrundlage zu entziehen. Nachdem wir etwa einen Tag lang im Wasser geplanscht hatten, stießen wir erneut auf ein Schiff. Es mußte in unserer Windrichtung gewesen sein, denn als wir noch etwa zweihundert Meter von ihm entfernt waren, sprang die Besatzung in die Beiboote und legte sich in die Riemen, was das Zeug hielt. Wie Sie sich vorstellen können, greift so etwas ganz schön das Selbstbewußtsein an, und man gibt allmählich die Hoffnung auf, dauernde Freundschaften, die das Leben eigentlich erst lebenswert machen, mit anderen Menschen schließen zu können.
    Nachdem wir uns auf dem neuen Schiff gemütlich eingerichtet und den Namen überstrichen hatten, segelten wir zunächst ein Stück weiter und dann noch ein Stück weiter und trafen irgendwann endlich eine Entscheidung. Wir kamen zu dem Schluß, daß irgend etwas gegen diesen erbärmlichen Gestank unternommen werden mußte, anstatt klein beizugeben. So sind wir Holländer nun mal; an jeder Steinmauer, an der Sie bei uns vorbeikommen, sind große rote Flecke, weil wir alle mit Vorliebe immer mit dem Kopf durch die Wand wollen. Als wir das Schiff in die Luft gesprengt hatten, hatte ich mir die Aufzeichnungen des alten Fortunatus in die Tasche meines Wamses gesteckt, und obwohl die Tinte an einigen Stellen verlaufen war, konnte man noch alles lesen. Ich glaube, er hatte eine unglaublich raffinierte neue Tinte verwendet, und es stellt sich einem die Frage, warum er sich über die Umwandlung von unedlem Metall in Gold den Kopf zerbrach, wenn er im Besitz einer solch einträglichen Erfindung war. Jedenfalls lasen wir uns seine Aufzeichnungen so lange durch, bis wir sie auswendig konnten. Wir diskutierten darüber und redeten uns die Köpfe heiß, unternahmen ein Experiment nach dem anderen und lasen sogar sämtliche Aufzeichnungen rückwärts und zusätzlich verkehrt herum. Unnütz zu erwähnen, daß alles völlig vergebens war, aber wenigstens ging auf diese Weise die Zeit schneller herum, und obwohl wir kein Gegenmittel für dieses Elixier entdeckten, fanden wir einige interessante Dinge heraus, höchst interessante Dinge sogar … Tut mir leid, daß ich schon wieder vom Thema abweiche. Ich fürchte, ich neige einfach dazu. Das liegt daran: Wenn man über weite Zeiträume nichts anderes zu tun hat, als zu reden, ergeht man sich gern in langatmigen Exkursen.
    Wo war ich eigentlich stehengeblieben? Ach ja. Genau sieben Jahre nachdem wir dieses Elixier getrunken hatten, wachten wir eines Morgens auf und stellten fest, daß der Geruch tatsächlich verschwunden war. Es war erstaunlich. Natürlich waren wir noch immer unverwundbar und unsterblich, aber wenigstens müffelten wir nicht mehr so. Wir nahmen sofort Kurs aufs Festland, wobei wir zufällig nach Le Havre kamen. Wir waren alle fest davon überzeugt, daß eins unserer zahllosen Experimente schließlich doch noch funktioniert hatte und wir nun alles im Griff hatten.
    Wie man sich vorstellen kann, verbrachten wir den nächsten Monat damit, aus sämtlichen Kneipen, Wirtshäusern und Bordellen der Stadt hinausgeworfen zu werden. Als wir kurz davor waren, uns für immer voneinander zu verabschieden, weil endlich jeder eigene

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