Der Fliegende Holländer
auch nur im entferntesten mit Bridport zu tun habe, müsse er umgehend Mr. Clough oder Mr. Demaris unterrichten, damit sie ihrerseits die notwendigen Maßnahmen ergreifen könnten. Zwar wisse er nicht, wie diese Maßnahmen im einzelnen aussähen, aber er könne sich ja ungefähr vorstellen, daß sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen würden.
Ein kurzer Blick auf den Computerausdruck hatte Mr. Ferrara sofort verraten, daß Jane Doland, das Mädchen mit dem miserablen Gehör für Opernmusik, während der vergangenen Monate etliche mit Bridport in Verbindung stehende Anfragen an den Computer gerichtet hatte. Die meisten davon zu Tageszeiten, zu denen man sie normalerweise mit dem Walkman in der U-Bahn vermutet hätte. Das war genau einer jener Fälle, auf die Mr. Ferrara ganz besonders achten sollte, und er empfand einen gewissen Stolz, daß er bei einem Projekt, mit dem ihn seine Vorgesetzten betraut hatten, so schnell auf eine Spur gestoßen war. Finden Sie eine undichte Stelle, hatten ihm Clough und Demaris gesagt, und schon hatte er eine entdeckt. Für Mr. Ferrara, der sich seiner neuen Rolle als Juniorpartner und Mitgesellschafter mit Leib und Seele verschrieben hatte, kam das der Bedeutung der Entdeckung des Insulins gleich.
Aber Buchhalter sind keine Menschen, die zu überstürzten Handlungen neigen und gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen. ›Lächeln, lächeln und nochmals lächeln‹, so lautet die Devise eines Buchhalters. Bevor er Clough und Demaris einweihen wollte, beschloß Mr. Ferrara, Jane Doland einem richtig teuflischen Test zu unterziehen und ihr die Akte der Firma RPQ Motor Factors zu geben.
An dieser Stelle sollte erwähnt werden, daß die RPQ-Motor-Factors-Akte schon so manchen gescheiterten Buchhalter in den Wahnsinn getrieben hatte. Niemand wußte wirklich, wie sich die Angelegenheiten eines relativ leicht überschaubaren Kleinbetriebs zu einem solch byzantinischen Wirrwarr hatten entwickeln können; es war eben – wie in der gesamten britischen Wirtschaft – einfach passiert, und je mehr Leute versuchten, Ordnung in die Unterlagen hineinzubringen, desto verschlungener und undurchsichtiger wurde alles. Allein das Durchlesen dieser Schreckensakte reichte den meisten Auszubildenden, um die Lehre zu schmeißen und lieber Tischler oder sonstwas zu werden, Hauptsache etwas Praktisches. Ordnung in dieses heillose Durcheinander hineinzubringen, war nach Dafürhalten der Geschäftsleitung ein unfehlbares Heilverfahren, um aufmüpfige Geister wieder zur Räson zu bringen. Jane Doland sollte fortan die Gralshüterin dieser Akte sein; darüber hinaus wollte Ferrara ihr nur einen Monat geben, um eine Bilanz und eine Gewinn-und-Verlustrechnung zu erstellen.
Obwohl seine Entscheidung von einer beträchtlichen Portion Sadismus geprägt war – Ferrara konnte nie vergessen, daß Jane Doland keine Verehrerin Wagners war –, stellte sie in erster Linie einen raffinierten Schachzug dar, denn sie war aus rein taktischen Erwägungen gefällt worden. Jeder Mensch, der innerhalb eines Monats Ordnung in die RPQ-Motor-Factors-Akte hineinbringen mußte, hätte nicht einmal mehr Zeit, sich die Zähne zu putzen und erst recht nicht, dem Computer Fragen über Bridport oder das Ding zu stellen. Zu dem Zeitpunkt, da Jane Doland ihre Arbeit an der RPQ-Akte entweder erfolgreich oder aber ergebnislos beendet hätte, hätte sie es derart satt, Zusammenhänge zu sondieren oder irgendwelche Unregelmäßigkeiten zu untersuchen, daß man ihr getrost die Spesenkonten des CIA würde anvertrauen können.
Mr. Ferrara sprach diese Anordnung auf das Diktiergerät, lächelte verschmitzt und summte die Melodie der Wolfsschluchtszene aus Webers Freischütz vor sich hin.
Es ist, gelinde gesagt, ärgerlich, überall in der Welt gewesen zu sein und nicht zu wissen, wo irgendwo ist. Das ist fast dasselbe, als besitze man einen Doktortitel in Halbleiterphysik und könne keine Glühbirne auswechseln. Man fragt sich dann allmählich, ob das alles wirklich der Mühe wert war.
Bezeichnenderweise haderte Vanderdecker wieder einmal mit dem Schicksal und machte sich Selbstvorwürfe. Anstatt sinnlos die Zeit zu vergeuden und Geld für Bier und wissenschaftliche Magazine zu verplempern, hätte er sich lieber darauf besinnen sollen, daß er zuallererst und hauptsächlich Kapitän eines Schiffs war und durchaus anständige Karten besaß, von denen etliche, die er noch heute benutzte, mit lateinischen Bezeichnungen versehen und mit
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