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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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holte die Kassetten.
    Meine Mam saß auf der Sofakante, strich ihren Rock glatt und gab sich alle Mühe, so auszusehen wie die Mütter in der Fernsehwerbung – frisch und fröhlich, in der perfekten Pose entzückter Erwartung.
    »Na los, Raymond«, sagte sie strahlend. »Dann lass mal hören, was die für einen Sound draufhaben!«
    Ich sagte nichts. Ich schämte mich nur insgeheim für sie. Dann drückte ich die Play-Taste und schaute krampfhaft woanders hin, während meine Mam auf dem Sofa saß, zu »This Charming Man« lächelnd den Kopf bewegte und mit den Fingern den Takt klopfte.
    Sie sagte: »Das ist aber schön, Raymond! Schön, wie der Gitarre spielt, nicht?«
    »Du musst auf den Text achten«, erwiderte ich.
    »Tu ich ja«, sagte sie. »Tu ich ja.« Sie lauschte wieder eine Weile. »Er hat eine schöne Stimme, nicht wahr?«, sagte sie. »Der Leadsänger, irgendwie ungewöhnlich, aber wirklich eine schöne Stimme.«
    »Das ist Morrissey«, sagte ich. »Er schreibt die Texte. Er ist toll.«
    »Was sagt er da?«, fragte meine Mam und neigte den Kopf zum Kassettenrekorder hin.
    » Ich würde ja gern weggehen heute Abend, aber ich hab nichts anzuziehen «, erklärte ich.
    »Genauso geht’s mir auch manchmal«, sagte meine Mam. »Ist das nicht toll? Da schreibt jemand so einen Song – jemand, dem man noch nie begegnet ist – und er drückt mit diesem Song einfach … einfach genau das aus, was man von sich selber kennt.«
    »Ja, das ist eben Morrissey, Mam!«, sagte ich und spürte, wie mich eine ganz ungewohnte Erregung packte. »Der kann es. Weil er ein Dichter ist, kann er alles für uns in Worte fassen. Gefällt es dir wirklich, oder sagst du’s nur so?«
    »Es gefällt mir wirklich, Raymond«, erwiderte sie und stand auf, als die Kassette zu Ende war. »Es gefällt mir sogar sehr.«
    Und weil es aus dem Backofen nach dem frischen Apfelkuchen duftete und weil ich einfach froh war, dass ich eine Mam hatte, die etwas mit den Smiths anfangen konnte, sagte ich ganz begeistert: »Wenn du willst, spiel ich dir noch was anderes von denen vor!«
    Meine Mam schaute kurz in Richtung Küche. »Na gut«, meinte sie dann und setzte sich wieder hin. »Aber ich darf auf keinen Fall meinen Apfelkuchen vergessen.«
    Ich spielte »Barbarism Begins at Home« und »Hairdresser on Fire«, »Heaven Knows I’m Miserable Now« und »Girlfriend In a Coma«. Und während die Songs liefen, erzählte ich meiner Mam alles über The Smiths und über dich, Morrissey, und über die Songs und was sie bedeuten und wie toll sie sind und was sie beeinflusst hat und wo sie aufgenommen wurden und so weiter. Und ich sagte dauernd: »Hör dir das an, Mam, das ist doch super!« und »Hör dir mal diesen Text an, Mam, ist der nicht toll?«
    Wahrscheinlich hab ich mich einfach von meiner Begeisterung mitreißen lassen. Unbedachterweise spielte ich ihr sogar »The Vicar In a Tutu« vor. In meinem missionarischen Eifer merkte ich gar nicht, dass meine Mam mich auf einmal fragend und besorgt ansah und dass sie jetzt nicht mehr den Takt mitklopfte, sondern vielmehr nervös an ihrem Rock herumzupfte. Und als ich vorspulte und sagte: »Aber warte erst, bis du das hörst, Mam, jetzt kommt ›The Death of a Disco Dancer‹«, da erwiderte meine Mam: »Entschuldige, Raymond, aber ich glaub nicht, dass ich davon noch mehr hören will!«
    »Doch«, erwiderte ich, »das gefällt dir bestimmt, Mam, es heißt ›The Death of a Disco Dancer‹.«
    Aber als ich auf die Playtaste drückte, sprang meine Mam auf, rannte in die Küche und schrie: »O verdammt, Raymond, mein Apfelkuchen!«
    Ich schaltete den Kassettenrekorder aus.
    Als ich in die Küche kam, stand meine Mam da und starrte auf ein schwarz verkohltes Katastrophengebiet, das mal ein appetitlicher Apfelkuchen gewesen war. Meine Mam ließ den Kopf hängen und ich sah eine Träne runtertropfen. Die Träne fiel zischend auf die verkohlte Kruste. Ich sagte: »Mam, ist doch nur ein Apfelkuchen, das macht doch nichts. Wir können uns doch eine Packung Angel’s Delight aufmachen!«
    Da sagte meine Mam: »Es ist nicht der Kuchen, Raymond!« Sie sah mich an und schluchzte: »Ach Junge, warum hörst du nur solche Musik?«
    »Weil ich sie mag«, erwiderte ich.
    »Aber das ist doch morbide, Raymond«, sagte sie, »absolut morbide.«
    »Morrissey ist nicht morbide«, erklärte ich. »Er ist nicht auf morbide Weise morbide.«
    »Nicht morbide?«, rief meine Mam. »Nicht morbide? If a ten ton truck should kill the

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