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Der Fliegenpalast

Der Fliegenpalast

Titel: Der Fliegenpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Krakauer, dem jungen Arzt, wieder nicht begegnet.
    Er dachte, die große Kunst sei es, bei einem Großen den richtigen Ton zu suchen, sich an diesem Ton aufzurichten und dann den eigenen … Wie sein Freund Eberhard von Bodenhausen sich aufgeregt hatte, als er vor Jahren in einem kleinen Aufsatz von ihm den Goethe-Ton bemerkt zu haben meinte. Ja … Wenn sich manchmal zu einer Prosaarbeit keine Anfangssätze entwickeln mochten, wenn nichts gehen wollte, nahm er gern den Band mit den kunsttheoretischen Aufsätzen Goethes in die Hand. Die
Einleitung in die Propyläen
hatte ihm oft schon geholfen.
Der Jüngling, wenn Natur und Kunst ihn anziehen, glaubt, mit einem lebhaften Streben, bald in das innerste Heiligtum zu dringen; der Mann bemerkt, nach langem Umherwandeln, daß er sich noch immer in den Vorhöfen befinde
. Ein paar Sätze genügten, und er hatte festen Boden unter den Füßen. Einen Ton zu haben, dazu brauchte es einen gesicherten Boden.
    Andererseits, einen Ton, seinen Ton zu finden und dann immer und immer wieder den gleichen Ton anzustimmen wie George und auch Rilke … Wie hatte er manchmal Schnitzler beneidet um die Kontinuität in seinem Schaffen! Wie mir, erinnerte er sich, die leichte Hand Wedekinds damals geholfen hat, den richtigen Ton für
Das gerettete Venedig
zu finden … Sein Vater fehlte ihm immer noch, seinem klugen Urteil hatte er manchmal mehr vertraut als jenem der berufsmäßigen Kritiker. Die traumwandlerische Sicherheit der frühen Jahre, als fast alles gelang … Das Gespräch mit dem Vater in seinen jungen Jahren, in den verregneten kühlen Sommertagen hier heroben und dann in Strobl. Das Vorlesen … Wie scharf der Papa reagiert hatte, als H. ihn in der Fusch einmal einen Brief lesen ließ, den er gerade an Stefan George geschrieben hatte, um ihm ein paar Gedichte seines Freundes Poldy für die Aufnahme in die
Blätter für die Kunst
zu empfehlen. »Was für einen Ton gebrauchst du denn da!« hatte der Vater gerufen. »Man ändert doch nicht einfach seinen Ton!« Damals hatte er sich manchmal gefragt, ob er über einen eigenen Ton verfüge; als er nach jenem langen ersten Ausseer Sommer heimgekommen war, hatte sein Vater seinen Sprechton kritisiert: Das sei ja nicht auszuhalten. Ja, ich red halt, wie alle die Freunde reden, hatte er gedacht, der Felix Oppenheimer, der Poldy Andrian, der Clemens und der Georg Franckenstein. Seine Briefe hatten sie alle ausgetauscht und gelesen und sich vorgelesen, und man hatte ihn dafür bewundert, wie er für jeden Adressaten einen eigenen persönlichen Ton anschlug. Aber, dessen war er sich sicher, wäre er damals nicht schon ein in der Wiener Gesellschaft anerkannter Künstler gewesen, hätten sie ihn niemals an sich herangelassen; für sie war er kein Mann von Welt.
    Während er sich die Zähne reinigte, nahm er sich vor, am nächsten Tag an die Tür von Doktor Krakauer zu klopfen, ihn zu einem Kaffee in den Salon einzuladen.
    Jemanden zum Reden, das entbehrte er immer mehr, und immer weniger ertrug er das Geschwätz. Den Hans-Karl in seinem
Schwierigen
hatte er sagen lassen, das Schrecklichste sei, daß es etwas gebe wie Konversation, das Getratsche, welches jedes Gespräch verflache. Den Bauern, den Wegmachern und sogar der Putzfrau in Aussee oder in Rodaun hörte er gerne zu – wenn er halt gerade Zeit hatte oder dazu aufgelegt war oder sich nicht gerade in der anderen Welt befand –, aber den Schmus der sogenannten gebildeten Leute! Mit dem Richard Beer-Hofmann auseinandergelebt, auch mit Schnitzler … Poldy, immer schwierig, und meistens im Ausland … schien sich obendrein völlig der katholischen Kirche ergeben zu haben. Rudolf Pannwitz, auf den er so große Hoffnungen gesetzt hatte. Dessen
Krisis der europäischen Kultur
hatte, als der Autor es ihm seinerzeit während des Krieges schickte, sein Leben erhellt. In jenen schweren Monaten, als er über das Auseinanderfallen des Kaiserreiches nicht hinwegkam – für ihn bedeutete dies die Auflösung alles Bestehenden. Was hatte er nicht alles unternommen, um diesem Genie, das ganz in der Nähe in erbärmlichen Verhältnissen lebte, zu helfen. Geld gesammelt. Ihm schließlich einen längeren Aufenthalt im Haus seiner Freundin, der Gräfin Ottonie Degenfeld, in Bayern verschafft. Und dann benahm dieser Mensch sich so schrecklich daneben. Dabei lebte er ohnehin mit zwei Frauen! Wie seltsam war das: Entweder ist einem das Werk eines Menschen bedeutsam, der einem persönlich unsympathisch ist,

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