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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Cohn
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Jahren regelmäßig hatten, war der von deiner Freundin Nele. Und dass all diese Abende in einem Fiasko endeten, lag nicht daran, dass wir meine Nephilim-Existenz verheimlichen mussten, sondern daran, dass Nele mich für einen herzlosen Schuft hält, der dich damals verlassen hat, und dich für eine grenzenlos naive Idiotin, weil du mich wieder zurückgenommen hast.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Aber trotzdem!«, wandte ich ein. »Gerade jetzt … nach dem Schulfest … Lukas Arndt war doch so erstaunt über deine Kräfte!«
    »Und deswegen sollten wir ihn einladen. Noch auffälliger hätte ich meine wahren Kräfte nicht zur Schau stellen können, und so erstaunt wie Lukas Arndt war sonst niemand darüber! Dennoch hat er es seitdem nicht wieder angesprochen, geschweige denn auch nur ansatzweise Vermutungen über mich angestellt. Auch Aurora hat kein einziges Mal nachgefragt, sondern hält ihren Vater immer noch für einen ganz normalen Mann. Vielleicht haben wir es mit unserer Vorsicht übertrieben. Und Sophie, überleg doch mal! Gerade für Aurora wäre es so wichtig, wenn wir ein wenig offener sein könnten. Sie soll doch nicht denken, dass ihre Eltern Sonderlinge sind.«
    Ich zögerte, aber dann hörte ich wieder die Stimmen der beiden Mädchen. Soeben hatte Aurora fünf Schritte mit den Stelzen geschafft, und Mia applaudierte begeistert.
    Nathan hat recht, dachte ich. Wenn in Aurora das Nephilim-Erbe erwachen würde, dann würde sie nicht ständig das Gleichgewicht verlieren, sondern könnte mit den Stelzen nicht nur blitzschnell laufen, sondern geradezu tanzen. Und wenn Lukas die Wahrheit ahnen würde, würde er seine Tochter nicht zu uns lassen.
    »Also gut«, gab ich nach, »ich werde ihn später anrufen und fragen, ob er und Mia heute Abend Zeit haben.«
     
    Der Tag blieb sonnig, die Erinnerungen an meinen Albtraum verblassten, und ich konnte das Frühstück beinahe genießen, obwohl es zu kalt war, um es auf der Terrasse einzunehmen. Wie so oft hatte mir Nathan den Kaffee zubereitet und mich mit einem frischen Croissant erwartet: Die vielen kleinen Gesten, mit denen er seine Liebe und Fürsorge bekundete, waren in all den Jahren nicht zur Routine verkommen – im Gegenteil. Woran ich mich allerdings immer noch nicht gewöhnen konnte, war, dass Nathan nur Wasser zu sich nahm, während ich frühstückte. Ich wusste zwar, dass Nephilim, und vor allem die Wächter, kaum etwas aßen und tranken, doch an seiner Seite kam ich mir regelrecht gefräßig vor. Dass er überdies kaum Schlaf brauchte, hatte freilich den Vorteil, dass er nachts arbeiten und tagsüber viel Zeit mit mir verbringen oder sich um den Haushalt kümmern konnte. Früher hatte ich mir meinen Lebensunterhalt damit verdient, Musikerbiographien zu schreiben – eine Arbeit, die mittlerweile er übernommen hatte (und bei der er dank seines umfangreichen Wissens viel schneller und besser war), während ich mich ganz darauf konzentrierte, Klavierunterricht zu geben.
    Für heute war allerdings keine Stunde angesetzt, und nachdem Nathan aufgebrochen war, um für das Abendessen einzukaufen – Lukas Arndt hatte meine Einladung freudig angenommen –, kümmerte ich mich um die Wäsche. Mehrfach lief ich die Treppe zum ersten Stock hinauf und hinunter – einen Weg, an den ich mich noch gewöhnen musste. Von der alten Villa meines Vaters waren ursprünglich nur das Erdgeschoss und das Arbeitszimmer im ersten Stock bewohnbar gewesen. Im Zuge der Renovierungsarbeiten der letzten Jahre, in deren Verlauf das Haus ein neues Dach und einen neuen Anstrich bekommen hatte, hatten wir uns auch nach und nach die restlichen Räume vorgenommen: Der Holzboden war abgeschliffen und neu versiegelt worden, die Wände frisch tapeziert, die alten Fenster durch neue ersetzt. Das alte Bad war erneuert und ein weiteres im ersten Stockwerk eingebaut worden. Während sich Aurora geweigert hatte, ihr bisheriges Kinderzimmer aufzugeben, hatte ich mit Nathan einen der oberen Räume mit einem kleinen Balkon und herrlichem Blick auf den Hallstättersee bezogen.
    Später, als die Waschmaschine lief, Nathan noch nicht zurückgekehrt war und Aurora weiterhin mit Mia übte, auf den Stelzen zu laufen, zog ich mich in den achteckigen Raum gleich neben dem Schlafzimmer zurück, der sowohl als Arbeits-, als auch als Musikzimmer diente. Staub tanzte in den Sonnenstrahlen; die Berge, vorhin noch vom Frühnebel verhüllt, hoben sich jetzt klar und deutlich vom blauen Himmel ab. Letzte

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