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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Trotz Dusche und Deo wußte er genau, daß in jeder Pore der Geruch nach alter Kneipe hing. Er hatte fast nicht geschlafen. Er schwitzte jetzt den Rest des Schnapses aus. Vuldom war ein wunderbarer Chef und eine wunderbare Frau. Per hatte nichts gegen weibliche Chefs. Er hielt sich von den Spielchen in der Kantine fern, wo man sich damit amüsierte, Wortspiele mit ihrem Nachnamen zu machen. Die Chefin »Vulva« zu nennen war nicht seine Art von Humor. Solange die Bosse kompetent und gerecht waren, war es ihm gleich, ob sie Männer, Frauen, schwul oder lesbisch waren. Das war ihr Bier. Außerdem gehörte er einer Generation an, die die ganze Kindheit und Jugend über von Frauen erzogen worden war. Bis zum Militär waren die Männer merkwürdig unsichtbar gewesen. Frauen hatten die Krippe, den Kindergarten, das Freizeitheim und die Schule geleitet, und seinen Vater hatte er eigentlich nie gekannt. Er heiratete wieder und zog nach Jütland, als Per drei war. Erzogen hatte ihn die Mutter. Verschiedene Männer hatten die Wohnung bewohnt, aber die Mutter hatte bestimmt, wo der Schrank stehen sollte.
    Vielleicht habe ich deswegen keine Lust, mich an eine Frau zu binden, dachte er, als er den BMW auf den Parkplatz des großen, niedrigen Gebäudes manövrierte. Frauen hatten den größten Teil seines Lebens bestimmt. Jetzt wollte er selbst bestimmen. Aber es war nicht zu ändern. In wenigen Jahren würden die meisten Richter Frauen sein, die meisten Staatsanwälte, Rechtsanwälte, die meisten Behördenchefs, die meisten … was wußte er schon? So war es eben.
    Er begrüßte einen Kollegen von der Verkehrspolizei, der in seiner Motorradmontur aussah, als freute er sich schon, bei dem schönen Wetter auf die Landstraße zu kommen. Seine Kopfschmerzen waren weg, und obwohl der Hals immer noch so trocken war wie der des blaffenden Bierhunds aus dem alten Trinklied, war er eigentlich wieder auf dem Damm. Er war bereit, allem – und jedem – gegenüberzutreten.
    Jytte Vuldom empfing ihn sofort. Per Toftlund bemerkte, daß sie ihren gnädigen Tag hatte und zu seinen leicht rotgefleckten Augen keinen Kommentar abgab. Sie sagte bloß, es tue ihr leid, daß er an einem freien Tag herbestellt worden sei. In Pers Augen war sie eine attraktive Frau, obwohl sie die Fünfzig vollendet hatte. Sie war schlank, hatte ein schönes Gesicht mit klaren, braunen Augen und eine wohlklingende Stimme. Nur daß sie pausenlos diese langen Mentholzigaretten qualmte und nie fragte, ob es störe, fand er ziemlich daneben. Sie drückte ihre Zigarette aus und fragte, ob er Kaffee wolle. Er nickte, und sie schenkte ihm eine Tasse aus der weißen Thermoskanne ein, die sie samt einem Foto ihres Mannes und ihrer beiden erwachsenen Kinder immer auf dem Schreibtisch stehen hatte. Die starken Frauen, dachte Per. Sie haben sich mehr als die Männer durchschlagen müssen, und sie sind weit gekommen und legen eine große Lust und Begabung zur Macht an den Tag.
    Sie reichte ihm den Kaffee. Dann gab sie ihm ein Bild. Es war ein Farbfoto, das eine jüngere, dunkel gekleidete Frau mit lockigem Haar zeigte. Sie schaute ernst in die Kamera. Sie hatte ein rundes Gesicht, dunkle Augen, einen kleinen Mund und trug goldene Ohrringe. Sie durfte so um die Vierzig sein.
    »Kennst du sie, Per?«
    »Ja. Sie war ziemlich oft in den Medien. Sie ist Autorin. Sara Soundso.«
    »Santanda.«
    »Santanda. Stimmt. Diese Drecksiraner haben sie auf dem Kieker. Sie lebt in England im Untergrund. Wie Rushdie.«
    »Nur noch schlimmer, Per. Denn sie ist eine Frau.«
    »Was hat sie denn geschrieben?«
    Er rümpfte die Nase, als sie eine neue Zigarette anzündete. Sie verzog ihre Oberlippe, aber kommentierte seine Mimik nicht. Sie war die Chefin, und in ihrem Büro bestimmte sie, die fanatischen Nichtraucher hatten schnell gelernt, ihren Mund zu halten.
    »Sie hat vor fünf Jahren eine Essaysammlung geschrieben, in der sie nachgewiesen hat, wie die Frauen von den fundamentalistischen Priestern im Iran unterdrückt werden. Wie sie den Koran falsch auslegen und mißbrauchen. Sie schmuggelte ihr Manuskript und sich selber ins Ausland, aber es zirkuliert im Iran, schriftlich und als Kassette. Sie wird langsam zum Politikum. Ihr Vater ist ein englischer Geschäftsmann, ihre Mutter Iranerin. Sie ist iranische Staatsbürgerin. Wegen Landesverrats in Abwesenheit zum Tode verurteilt. In ihrem letzten Roman schildert sie einen korrupten Mullah und seinen

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