Der Fluch der bösen Tat
wegen ungenügender Informationen gerügt, also hatte er sich gewappnet und die Sache gleich mit angesprochen, da nun der Außenpolitische Ausschuß ohnehin zusammengetreten war und ihn zu der Sitzung geladen hatte …
»Das war nur ein freundlicher Rat«, sagte Carl Bang. Er bereute seinen Anruf schon. Mit Journalisten kannte man sich nie aus. Urplötzlich konnten sie ihre Unabhängigkeit höllisch ernst nehmen. Und an anderen Tagen wiederum ließen sie sich für ein Stück gebratenen Specks mit Petersiliensoße kaufen.
»Und ich erweise dir gern den Gefallen, ihn zu vergessen«, sagte Tagesen gelassen, und sie beendeten ihr Gespräch mit einem kurzen Abschiedsgruß und ohne die obligatorische Versicherung, daß sie sich bald mal wieder im Kreise der Familie wiedersehen müßten.
In der Regel schlug Johannes Jørgensen das Kellerrestaurant »Gitte Kik« vor, wenn er mit einem Kollegen oder Journalisten einen kleinen vertraulichen Plausch halten wollte. Schon als junger Kommunalpolitiker in Jütland hatte er gelernt, daß ein gutes Verhältnis zur Presse das ein und alles war. Und daß es eigentlich keinen großen Unterschied machte, ob es ein Mitarbeiter eines kleinen Provinzblatts oder die Journalisten des Fernsehens, der Ritzau Presseagentur oder einer großen Kopenhagener Zeitung waren, zu denen man ein gutes Verhältnis aufbauen wollte. Man mußte sie gut behandeln, auf ihre Fragen antworten und ihnen hin und wieder beim Mittagessen eine gute Story zukommen lassen. Die sie ausschlachten konnten. Die wasserdicht war – zumindest eine Weile. Politiker und Journalisten waren voneinander abhängig, es rentierte sich nicht, auf die Presse zu schimpfen. Dänemark hat die Presse, die es hat, und es ist Zeitverschwendung, darüber zu klagen – das war sein Motto. Benutze die Journalisten. Sie benutzen dich. Diesen Rat gab er den neu gewählten Parlamentsfrischlingen gern, wenn sie beklommen durch die Flure von Christiansborg schlichen und kleinen Kindern ähnelten, die zum ersten Mal von Mama getrennt waren.
Wie gewöhnlich war das »Gitte Kik« zum Bersten gefüllt. Das Lokal war von den Machtzentren bequem zu Fuß zu erreichen, und Beamte, Politiker, Journalisten und Geschäftsleute gaben sich hier ein Stelldichein, um ein anständiges Smørrebrød einzunehmen. Die Gesundheitswelle hatte in die niedrigen Räume noch nicht ihren verheerenden Einzug gehalten. Hier kamen Schmalz und Jus, Leberpastete und Wurst, Hering und reifer Käse, Bier und Schnaps und natürlich Aschenbecher auf den Tisch.
Unter den Gästen war auch die eine oder andere Frau, aber normalerweise war das »Gitte Kik« ein Treffpunkt für Männer. Johannes Jørgensen saß ganz hinten an einem Zweipersonentisch, so daß er die Tür mit den zwei Stufen, die in den Gastraum hinunterführten, im Blick hatte. Er sah, wie der Journalist eintrat und sich umschaute. Er war groß, mittleren Alters und hatte eine Glatze. Sein Hemd war zerknittert, der Schlips hing schief. Der oberste Knopf stand offen. Auf der Stirn standen Schweißperlen. Ein Tief über der Nordsee hatte dem Land kaum Erfrischung gebracht, es war immer noch so schwül, als hätte der Herrgott Dänemark mit einem Federbett zugedeckt.
Johannes Jørgensen winkte Torsten Hansen zu sich heran. Hansen stellte seine Tasche neben den Tisch und reichte ihm die Hand. Sie bestellten jeder drei Smørrebrød mit Hering, Aal und Käse sowie ein Bier und einen Klaren. Sie unterhielten sich zunächst über die politische Lage und die dänischen Soldaten, die unter NATO-Kommando ihren Dienst in Ex-Jugoslawien tun sollten. Jørgensen versicherte Hansen, daß in dieser Frage volle politische Einigkeit herrschte. Und er könne auch mit seinem Namen dafür einstehen, daß das Folketing deswegen nicht einberufen würde. Hinter dem Beschluß der Regierung stand eine solide Mehrheit.
Torsten Hansen machte sich eine Notiz und aß. Es war warm, alle Gäste hatten ihre Sakkos abgelegt. Der Tabakrauch brannte in den Augen. Hansen war Nichtraucher und sehnte sich oft nach den restriktiven amerikanischen Rauchergesetzen. Kann schon sein, daß es dort für die rauchende Minderheit schwer war, in Ruhe zu paffen, aber für Nichtraucher war es in den Büros und Restaurants ein wahres Paradies. In Dänemark hielt er freilich lieber den Mund. Er wollte einfach keinen Streit.
Johannes Jørgensen legte Messer und Gabel beiseite und leerte seinen Schnaps.
»Ich will dir noch was sagen, was nicht fürs Protokoll
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