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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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zur neuesten Entwicklung in Bosnien interessiert. Das war auch der Grund, weshalb der Außenpolitische Ausschuß zusammengetreten war, obwohl das Folketing Ferien hatte. Alle sprachen von den dänischen Soldaten, die unter NATO-Kommando dorthin geschickt werden sollten. Und wenn das Fernsehen daran interessiert war, konnte man sicher sein, daß es die Zeitungen auch waren. Die unroutinierten Ausschußmitglieder dachten nicht im Traum daran, die Informationen weiterzugeben, die ihnen der Staatschef unter »Sonstiges« und dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut hatte. Vielleicht würden sie in ein paar Tagen diskret ein Wort fallen lassen. Gegenüber Ehepartnern oder Geliebten. Um sozusagen zu erkennen zu geben, daß man ein Wissen mit sich herumtrug, das nicht alle hatten.
    Das waren Jørgensens Gedanken, während er wartete. Er kannte seine Kollegen und ihren brennenden Ehrgeiz. Wenn einem die Politik erst ins Blut ging, war man für das Leben infiziert. Politik und Macht konnten süchtiger machen als die schlimmste Droge. Hörte man vor der Zeit auf oder wurde von den Wählern verschmäht, konnte das zu einer richtigen Depression führen. Er dachte an den Fall Krag. Krag hatte freiwillig aufgehört. Er hatte gemeint, er könne es sich ohne die Last der Macht gemütlich machen, aber seine letzten paar Jahre wurden zu einer Tragödie, weil sich herausstellte, daß er ohne Politik, ohne die süße Macht nicht leben konnte. Er kannte andere, die von treulosen Wählern in die Wüste geschickt worden waren und in Alkoholismus und Selbstverachtung geendet wären, wenn ihnen nicht schnellstens ihr politisches Comeback gelungen wäre.
    Johannes Jørgensen wünschte sich kein solches Schicksal. Er wollte bleiben, wo er war, und eines Tages dem engsten Kreis angehören.
    Er grüßte freundlich ein paar Presseleute, nickte einem Kameramann zu, der, soweit er sich erinnerte, einige Male hinter der Kamera gestanden hatte, wenn er im Fernsehen interviewt worden war, und ging dann etwas weiter den Flur entlang. Er sah, daß sich der Staatsminister bereit machte und gleich mit seinen charakteristischen langen Schritten die Journalisten abschütteln und auf die Sicherheit garantierenden Glastüren des Staatsministeriums zusteuern würde.
    Staatsminister Carl Bang war ein großer, etwas gebeugter Mann. Wie die meisten dänischen Regierungschefs lebte er von seinem Talent, die vielen verschiedenen Interessen im Folketing zu vereinen und aufeinander zuzuführen, damit wieder einmal eine Minderheitsregierung überlebte. Er war ein begabter Kartenspieler und begabt darin, Parteien und Menschen gegeneinander auszuspielen. Gleichzeitig hielt er sein Wort und konnte gute Umfrageergebnisse vorweisen, so daß er so sicher auf seinem Posten saß, wie es von einer dänischen Regierung überhaupt zu erwarten war. Er hatte früh gelernt, daß es in der dänischen Politik besser ist, von Jahr zu Jahr die Kompromisse durchzubringen, die die stets vor ihm sitzende Mehrzahl eben zuließ. So hatte man es mehr oder weniger seit dem Krieg gehandhabt, und so wünschten es die Dänen anscheinend. Die Regierung befand sich in einer stabilen Phase, und Carl Bang war eigentlich auch der Überzeugung, daß das Nötige getan wurde und der Laden lief.
    Johannes Jørgensen schloß zu ihm auf. Er sah zwar, daß Staatssekretär Svendsen ihm etwas ins Ohr flüsterte, aber das war ihm jetzt egal. Wenn er um einen formellen Termin bat, konnten Tage vergehen, ehe der Staatsminister einen Platz in seinem Kalender fand.
    »Staatsminister! Darf ich mal einen Augenblick …«
    Carl Bang stoppte und setzte sein bekanntes Lächeln auf.
    »Das ist jetzt ein bißchen schlecht«, sagte er und schaute auf seine Uhr.
    Johannes Jørgensen sah sich um. Sie waren allein. Svendsen trat diskret einen Schritt zurück. Im Grunde hätte er ruhig zuhören können, denn Bang würde ihn ohnehin informieren.
    »Nehmen Sie sich lieber die Zeit. Denn mit dieser Sache will ich mich auf keinen Fall abfinden.«
    »Ja, Jørgensen.« Carl Bang lächelte nun nicht mehr. Mit einer Neigung des Kopfes machte er ein Zeichen, daß sie zum Fenster gehen sollten. Svendsen würde sie abschirmen. Jørgensen und Bang waren fast gleich groß und trugen den gleichen dunklen Anzug und eine Krawatte mit kleinen Quadraten, mit der in diesem Jahr offenbar alle herumliefen. In Christiansborg war es kühl, obwohl draußen Hitze herrschte. Das Parlament ruhte sommerstill und duftete nach Lack und Farbe. »Ich kann

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