Der Fluch der bösen Tat
irgendein dämlicher Rekrut.«
Er sah sie an.
»Wer weiß, daß Simba kommt?« sagte er bloß.
»Tagesen, also mein Chefredakteur. Ich. Sie. Und dann der Staatsminister und sein Staatssekretär. Tagesen kennt den Regierungschef persönlich und hat ihn informiert, um euch mit dabei zu haben.«
»Okay. Die Sache muß innerhalb einer so kleinen Gruppe wie möglich bleiben.«
»Sie können Santanda nicht wegschließen …«
»Simba.«
»So ein Quatsch! Sie muß unter Menschen. Verstehen Sie nicht, daß das gerade der Zweck ist …«
»Nein. Das ist nicht der Zweck.«
»Und was dann?«
»Sie am Leben zu erhalten«, sagte Per.
4
DER AUSSENPOLITISCHE AUSSCHUSS ist eine ständige Kontrollkommission des Folketings für die außen- und sicherheitspolitische Arbeit der dänischen Regierung. Er kommt einmal in der Woche unter Leitung eines Vorsitzenden zusammen, der die Tagesordnung bestimmt. Sowohl Außen- wie Verteidigungsminister, ja sogar der Staatsminister, also der Premier, können zu den Ausschußsitzungen geladen werden. Oder sie können selbst darum bitten, vorgelassen zu werden, um den Ausschuß über laufende Vorgänge in Kenntnis zu setzen. Auch die Chefs des Militärischen Nachrichtendienstes, MND, und des Polizeilichen Nachrichtendienstes, PND, können die Parlamentsmitglieder im Außenpolitischen Ausschuß über aktuelle Bedrohungen oder in der Szene kursierende Gerüchte auf dem laufenden halten. Die Beratungen sind geheim, und die Mitglieder dürfen mit den Informationen, die sie hinter verschlossenen Türen erhalten, nicht an die Öffentlichkeit treten, da sie überwiegend von den beiden dänischen Nachrichtendiensten stammen oder auf vertraulichen Berichten der königlichen Botschaften fußen.
Das wußte das Mitglied des Folketings, Johannes Jørgensen, sehr gut, aber er war aufgebracht, so aufgebracht, daß er davon überzeugt war, daß der vorliegende Fall irgendwie nach draußen gelangen mußte. Wenn der Bruch des Amtsgeheimnisses bedeutete, daß auf diese Weise gute jütische Arbeitsplätze gerettet werden konnten, dann kannte er seine Pflicht und wußte, wem er Loyalität schuldete. Seinen Wählern nämlich. Und nicht irgendeiner ausländischen Heidin.
Er war der Repräsentant der Wähler. Das war er nun seit fünfzehn Jahren, er brauchte das Leben in Christiansborg, um zu gedeihen. Hier saß das Parlament, und er kannte die politischen und praktischen Schleichwege und Flure des hohen Hauses. Er wollte nicht in seine etwas langweilige Anwaltskanzlei in Mitteljütland zurück. Um die kümmerte sich sein Bruder vorbildlich. Johannes Jørgensen war 56 Jahre alt, hatte einen schönen Posten als Fraktionssprecher und fand, die Zeit sei in Bälde reif für ein Regierungsamt. Aber das erforderte natürlich seine Wiederwahl, und man wußte in diesem Land nie, wann eine Wahl stattfand. Die scheinbare Stabilität und Waffenruhe konnte bei der geringsten Gelegenheit Risse bekommen.
Also mußte der Fall an die Öffentlichkeit. Es war einfach seine Pflicht.
Außerdem wäre es nicht das erste Mal, daß ein Mitglied Informationen benutzte, die es im Ausschuß bekommen hatte. Man mußte ja nicht unbedingt damit hausieren gehen, woher man sein Wissen hatte. Doch zunächst einmal wollte er versuchen, vernünftig mit dem Staatsminister zu sprechen.
Johannes Jørgensen war ein schlanker Mann mit breiten Schultern. In seiner Jugend hatte er geboxt, wovon er eine leicht schiefe Nase zurückbehalten hatte. Eine Zeitlang hatte er überlegt, sie richten zu lassen, aber seine Wähler konnten den etwas rohen, maskulinen Look, den ihm seine Nase verlieh, eigentlich ganz gut leiden. Er machte keinen Hehl daraus, Boxer gewesen zu sein, und liebte es, in Fernsehinterviews Boxmetaphern zu gebrauchen. Er hatte in Kopenhagen Jura studiert und sprach ein erstklassiges Hochdänisch, aber im Fernsehen änderte er mühelos die Sprache, und schon war ein deutlicher Einschlag seines jütischen Dialekts zu vernehmen. Nicht bäurisch, versteht sich. Aber eine Prise jütischer Glaubwürdigkeit ging in diesen Zeiten runter wie Öl.
Er ließ die Ausschußmitglieder vor sich zur Tür herausgehen. Die meisten beeilten sich und waren nur daran interessiert, dem draußen wartenden Grüppchen von Journalisten zu entkommen. Einige unbekanntere Abgeordnete gingen betont langsam und hielten Ausschau, ob die Journalisten sie um einen Kommentar bitten würden. Aber die Fernsehjournalisten waren nur am Staatsminister und seiner Haltung
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