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Der Fluch der bösen Tat

Der Fluch der bösen Tat

Titel: Der Fluch der bösen Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Tante ab, die froh war, daß er ihre große Eigentumswohnung ein wenig mit Leben erfüllte. Bis er groß geworden war, blaß und sonderbar, aber da war es dann auch egal, denn da konnte er allein in dem großen Haus in Hellerup wohnen.
    Das ging Vuk durch den Kopf, als er mit der S-Bahn vom Hauptbahnhof nach Hellerup fuhr. Wie oft war er diese Strecke schon gefahren. Er sah das Haus noch vor sich. Es war dreistöckig, erbaut in den Zwanzigern, mit Keller und vielen Wohn- und Schlafzimmern. Es lag direkt am Öresund, zum Baden brauchte man nur über den Rasen zu laufen. Mikael hatte nicht überrascht geklungen, als Vuk angerufen hatte. Eher schläfrig hatte er gesagt, er könne kommen, wann er wolle. Er habe das Haus für sich. Er schien ganz in seiner eigenen Welt zu leben, ohne Zeitgefühl und ohne sich zu wundern, daß Vuk sich nach so vielen Jahren plötzlich wieder meldete.
    Vuk trug seine Lederjacke und hatte seine selbstgemachte Garotte in der Tasche. In Hellerup stieg er als einziger aus. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel, als er auf Mikaels Haus zuging. Der nächtliche Alptraum existierte nur noch als schwaches Grummeln in seinem Bewußtsein. Er dachte an Mikael und Peter, der schon damals Journalist werden wollte und jetzt Nachrichtenreporter war. Und Mikael? Er interessierte sich nur für eins: Computer. Vuk hatte die Diskette aus Carlsens Wohnung dabei und ging davon aus, daß Mikael den Kode knacken konnte.
    Vuk machte das Gartentor auf. Die Hecke war dicht und ungepflegt und verdeckte den Blick auf einen ungemähten Rasen voller Blätter, Moos und verblühtem Löwenzahn. Aus vier, fünf verwahrlosten Blumenbeeten schoß Unkraut. Das Haus lag im hinteren Teil des Grundstücks, das zum Meer hin abfiel. Es war ein schönes weißes Gebäude, obwohl die Farbe an den Fenstern abblätterte. Es war nicht sonderlich gut erhalten, mußte aber in der Lage ein Vermögen wert sein.
    Vuk klingelte. Die Glocke hatte immer noch diesen altmodisch zarten Klang und rief Erinnerungen an die Kinderspiele in dem großen Garten und die Fahrten in der Jolle oder im Schlauchboot auf dem Sund hervor. Und später an die Klassenfeste in dem offenen und gastfreundlichen Haus, in dem es nur eine Regel gab: Bevor die Eltern nach Haus kamen, mußte aufgeräumt werden. Dafür kamen sie nie unangemeldet. Sie gaben den jungen Leute eine Chance, die Normalität wieder soweit wiederherzustellen, daß die Putzfrau sich nicht übermäßig aufregen mußte.
    Vuk hörte Schritte, und die Tür wurde geöffnet.
    Sie sahen sich an. Mikael erblickte einen großen, muskulösen Mann mit toten, blauen Augen. Offenbar hatte sich sein Gegenüber seit Tagen nicht rasiert, denn sein Gesicht war von hellen Stoppeln übersät. Mikael sah einen Kameraden aus Kindheits- und Jugendtagen, der noch der Alte und doch ganz anders war. Besonders seine Augen hatten sich verändert. Sie sahen nicht mehr so aus, als hätten sie viel zu lachen.
    Vuk sah einen kleinen schmächtigen Kerl vor sich, der schon dünnes Haar bekam. Er hatte lebendige, intelligente Augen hinter dicken Brillengläsern und hatte noch immer die Angewohnheit, sich am Ohrläppchen zu ziehen, wenn er erregt oder nervös war. Er trug abgewetzte Jeans und ein grünes Hemd über einem weißen T-Shirt. Er sah immer noch so aus wie der Freak von damals, der Clown unter den dreien, der Junge mit dem großen Haus.
    »Hallo, Mikael«, sagte Vuk.
    Mikael zupfte sich am Ohrläppchen. Er sah erfreut und verlegen zugleich aus.
    »Janos, alter Gastarbeiter. Lange nicht mehr gesehen! Komm rein. Ich bin allein.«
    »Ja, das hast du schon am Telefon gesagt«, sagte Vuk. Innerhalb weniger Stunden hatte er seinen alten, richtigen Namen jetzt zum zweiten Mal gehört. Er hatte ihn selbst benutzt, als er Mikael angerufen hatte. »Mikael. Hier ist Janos«, hatte er gesagt. Aber für ihn war es ein fremder Name, der nicht mehr zu ihm gehörte. Seine Familie und seine Freunde in Dänemark hatten ihn Janos gerufen, aber Janos starb in der bosnischen Hölle, und aus der Asche stieg Vuk, der Janos zwar äußerlich glich, aber innerlich ein anderer war. Janos war tot. Vuk wohnte in seinem Körper. Janos war ein ebenso fremder Name wie Carsten, unter dem ihn Ole Carlsen kannte.
    Wie früher redete Mikael wie ein Wasserfall. Vuk erkannte das Haus mit seiner großen Halle und der Treppe zum ersten Stock sofort wieder. Die große Wohnküche quoll von Zeitungen und Computerzeitschriften über, und in einer Ecke lief der

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