Der Fluch der bösen Tat
Fernseher mit MTV ohne Ton. In der Spüle häufte sich das schmutzige Geschirr, obwohl in der Küchenzeile auch eine Spülmaschine eingebaut war. Vuk sah durch das Fenster auf eine weitere Rasenfläche, die bis hinunter zum Öresund reichte. Mikael sagte, wie schön es sei, Janos wiederzusehen. Sie hätten damals viel Spaß zusammen gehabt. Und ob Janos gesehen habe, daß Peter der große Star der Fernsehnachrichten geworden sei? Für Peter sei es prima gelaufen. Fast auf direktem Wege von der Journalistenschule zum Fernsehen. Er selbst hatte ein paar Jahre an der Technischen Universität studiert, aber keine Lust mehr gehabt, als es ernst wurde. Er würde sowieso den ganzen Kram hier erben und hatte ja auch noch das in der Schweiz angelegte Vermögen. Er brauchte nicht zu arbeiten. Die Eltern spielten Golf in Spanien oder auf einer karibischen Insel. Sie ließen sich selten blicken. Sein einer Bruder lebte in Los Angeles, der andere in der Schweiz. Mikael wohnte allein im Haus. Verließ es nur, um Tiefkühlkost und Fertiggerichte für den Mikrowellenherd zu kaufen. Er sah niemanden, und das paßte ihm ausgezeichnet. Er hatte seine Computer, seine Musik und seine Bücher. Was wollte er mehr?
Mikael holte einen Liter Cola aus dem Kühlschrank, während er redete. Er brachte zwei Gläser und schenkte ein. Sie saßen am Küchentisch. Es entstand eine Pause und Mikael zog sich am Ohrläppchen.
»Es ist schön, dich zu sehen, Janos, alter Gastarbeiter. Du und Peter waren die einzigen, die ich mochte. Die andern waren doch alle bescheuert. Wann bist du nach Dänemark gekommen?«
»Vor ein paar Tagen.«
»Von da unten?«
»Von da unten, ja.«
»Okay«, sagte Mikael und trank von seiner Cola.
»Ich finde es auch schön, dich zu sehen, Mikael«, sagte Vuk. »Das Haus hier erinnert mich an meine Kindheit und unsere Teenagerjahre. War eine tolle Zeit. Ich denke immer daran als die einzige normale Zeit in meinem Leben.«
Eigentlich hatte Vuk das nicht sagen wollen, aber es kam wie von selbst, und er meinte es ernst.
»Warum bist du weggegangen?«
»Mein Vater wollte nach Hause.«
»Und dann bist du einfach mitgegangen?«
»Ich bin so erzogen worden.«
Mikael beugte sich über den Tisch und wurde ernst. So hatte Vuk ihn ebenfalls in Erinnerung. Er war ein alberner Kerl, konnte aber auch sehr ernst sein und fast von so etwas wie einer Depression heimgesucht werden, wenn er Krieg und leidende Menschen im Fernsehen sah. Sie zogen ihn auf, er sei für diese Welt zu sensibel. Er war derjenige von ihnen, der sich mit den großen Fragen des Lebens am meisten beschäftigte und über den Zustand der Dinge nachdachte. Immer war er auf der Suche nach der Antwort auf unmögliche Fragen und hatte einmal eine Lehrerin verblüfft, als die ihn verärgert gefragt hatte, an welche wichtigen Dinge er denn denke statt ihrem Unterricht zu folgen, und er ihr entgegnete: An das Rätsel des Lebens. Damals waren sie elf gewesen, und die Klasse war vor Lachen zusammengebrochen. Erst war Mikael erstaunt und verletzt gewesen, aber dann hatte er selbst angefangen zu lachen. Man wußte nie, ob es ironisch oder ernst gemeint war, wenn er in den merkwürdigsten Zusammenhängen seine Gedanken zum besten gab. Ob er sich selbst oder andere auf die Schippe nahm.
»Janos. Ich freu mich, dich zu sehen. Versteh mich nicht falsch«, sagte Mikael. »Du bist willkommen. Das ist es nicht. Aber sonst seh ich niemanden mehr. Nur Peter ab und zu mal. Ich kann die Menschen nicht leiden, Janos. Ich versteh einfach nicht, wie sie ticken. Wie ihr Programm zusammengebastelt ist. Mit andern Leuten gerate ich immer nur aneinander. Ich kümmre mich lieber um meine eigenen Sachen. Ich hocke nachts vor dem Rechner und surfe im Internet. Und manchmal fahre ich ein bißchen in meinem Schlauchboot auf dem Öresund. Weißt du was?«
Vuk schüttelte den Kopf und ließ Mikael weitermachen.
»Ich sehe keinen. Und habe doch massenhaft Kontakt. Ich spreche mit ihnen per Modem. Ich kenne Tausende Menschen auf der Welt. Von Australien bis Moskau. Und dabei gibt es keine Probleme. Ihnen ins Gesicht zu sehen ist mir viel zu anstrengend. Per Modem ist es viel einfacher. Im Cyberspace.« Er lachte etwas albern, zog sich am Ohrläppchen und fuhr fort: »Jetzt fehlt mir bloß noch, daß ich über Modem vögeln kann. Dann brauchte ich für den Rest meines Lebens überhaupt keine Seele mehr zu sehen. Dann könnte ich glücklich im Cyberspace leben.«
Vuk mußte lachen. Es war immer
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