Der Fluch der Druidin
sollen. Ich habe so viele Fehler in meinem Leben gemacht. Du dagegen hast keinen einzigen gemacht.«
»Nein? Habe ich nicht? Mir fallen da einige ein.« Ein harter Klang schwang in Sumelis’ Stimme mit, der früher nicht vorhanden gewesen war. Er trieb mit dem lauen Wind an Atharics Ohren, der den Kopf hob und sorgenvoll zu ihnen blickte. Talia wusste, es war vergebens, trotzdem sagte sie: »Glaubst du nicht, dass wir dir helfen können? Wenn man alleine ist, kreisen die Gedanken immer nur um das eine. Du wirst uns brauchen, und sei es nur, um dich abzulenken.«
»Nein, Mutter. Dräng mich nicht, bitte! Es ist so schon schwer genug. Und mach dir keine Sorgen! Caran wird dafür sorgen, dass mir nichts passiert.«
Talia schluckte. »Wie lange willst du fortbleiben?«
»Ich weiß es nicht. Ein Jahr vielleicht? Bis nächsten Sommer?« Sumelis hob die Achseln. »Ich bin so müde, Mutter. Und ich weiß nicht einmal, worauf ich warte: darauf, dass ich vergesse?«
»Das willst du gar nicht.«
»Nein.« Sumelis löste sich von Talia. Sie wischte sich über die Augen, dann berührte sie den schmalen Kamm mit dem Pferdegriff, der an einem Lederband um ihren Hals hing.
»Wo gehst du hin?«
»Zu Vater«, sagte Sumelis. »Ich habe ihm noch nicht erzählt, wie Nando war. Was ihn zum Nachdenken brachte. Zum Lachen. Wieso er mir diesen Kamm geschenkt hat. Vater wartet darauf, das alles zu erfahren, das weiß ich. Sonst wird er mich nicht gehen lassen.«
»Atharic würde dich niemals zu irgendetwas drängen.«
»Ich weiß.« Sumelis lächelte traurig. »Aber Nando tut es. Er spricht in mir, ich kann ihn hören.« Sie schlang ihre Arme um sich, obwohl es warm, der Herbst noch nicht eingekehrt war. »Von Zeit zu Zeit höre ich seine Stimme in mir, und dann weiß ich: Die Grenzen zwischen den Welten sind dünner, als wir glauben.«
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Epilog 96 v.Chr.
K omm, Schätzchen, lös deine Mutter ab! Sie ist erschöpft, siehst du das nicht?« Atharic scheuchte Vebromara über das halbgepflügte Feld, an dessen anderem Ende Talia stehen geblieben war und mit in den Rücken gestemmten Händen tief durchatmete. Das Pferd, das den Pflug zog, suchte in ihren schmutzigen Kleidern nach Essen, ebenfalls froh über die kurze Pause, bis Vebromara nach dem Halfter griff und es weiterzerrte.
»Nicht so grob!«, mahnte Talia. »Und pass auf, dass der Pflug gerade bleibt!«
»Ich weiß, Mama!« Beleidigt. Talia verkniff sich zusätzliche Belehrungen und ließ das Mädchen alleine weiterarbeiten. Sie schleppte sich an das Ende des Ackers und umrundete ihn an seinem Rande, um zu Atharic zu gelangen, ohne über die frisch gepflügte Erde tänzeln zu müssen.
»Am Anfang habe ich diese Arbeit genossen«, klagte sie, während sie beobachtete, wie die neue Magd hinter dem Pflug herlief und sich dabei immer wieder nach Steinen bückte. Talias nackte Füße waren bis zum Spann mit Erde überzogen, die Zehen beinahe schwarz. Angewidert schüttelte sie sie, bis sich die gröbsten Brocken lösten. »Pflügen hatte früher immer etwas Beruhigendes, aber jetzt bin ich froh, wenn es vorbei ist.«
»Die Kleine scheint es zu mögen. Oder es macht ihr zumindest nichts aus.«
»Gut für sie. Gut für mich.« Talia kreiste mit den Hüften, um ihren verspannten Rücken zu lockern. Sie spürte ein Ziehen in ihrer Schläfe und griff dankbar nach dem Krug Wasser, den Atharic ihr reichte. »Ich glaube, ich bekomme Kopfschmerzen.«
»Du hättest dir ein Tuch umbinden sollen. Die Sonne ist noch sehr kräftig.« Atharic griff nach Talias Zopf und wickelte ihn sich um das Handgelenk. Mittlerweile überwog das Grau in den dicken Strähnen, die sich ungebärdig wie eh und je aus dem Zopf gelöst hatten und sich ihren eigenen Gesetzen folgend wellten und lockten. Talia war in den letzten fünf Jahren, seit sie Sumelis in Alte-Stadt zurückgelassen hatten, mehr gealtert als in den zehn zuvor. Aber wenn Atharic ehrlich war, traf das wohl auch auf ihn zu. Fünf Jahre, in denen sie Sumelis nicht gesehen, keine Nachricht erhalten hatten außer ein paar kurzen Meldungen aus Carans Mund, von Händlern überbracht, dass es ihr gutginge und ihr nichts passiert sei. Dass sie jedoch noch nicht bereit sei, zurückzukommen.
»Ich habe Hari heute Morgen im Dorf getroffen«, erzählte Atharic. »Er hat sein erstes Schwert geschmiedet. Er ist sehr stolz. Ich habe auch mit dem Schmied gesprochen. Er äußert sich gut über Hari.«
»Das ist wunderbar!«
»Außerdem ist unser
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