Der Fluch der Finca
Michelle, die fast schrie.
„Ich wünschte es wäre so, aber es ist kein Zweifel möglich. Ich habe eine
Videobotschaft von den Entführern erhalten. Michelle ist drauf zu sehen, mit einer
Tageszeitung von heute. Sie war geknebelt und sie…“ er schluckte und schien mit den
Tränen zu kämpfen.
„Sie weinte. Oh, mein Gott, sie hat geweint und voller Angst in diese verdammte
Kamera gesehen.“
Jetzt schaltete Keith sich wieder in das Gespräch ein.
„Wie lauten die Forderungen? Um wie viel geht es hier?“
„Kein Geld. Sie wollen die Finca.“
Michelle und Keith tauschten einen verwirrten Blick.
„Die Finca?“, fragten sie wie aus einem Mund.
„Ja, fragen Sie mich nicht, wieso, aber sie wollen tatsächlich das Haus!“
„Wie stellen die sich das vor? Wollen die mit Ihnen zum Notar gehen und sie
überschreiben es denen?“
„Nicht ganz, aber so ähnlich. Ich soll das Objekt einer Offshore Firma auf den Caymans
überschreiben. So kann nicht zurückverfolgt werden, wer dahintersteckt. Sobald die
Übertragung abgewickelt ist, wird die Firma vermutlich liquidiert und die Finca wird
wiederum übertragen. Diesen Vorgang können die so oft wiederholen, bis selbst
Interpol keine verwertbaren Spuren mehr findet.“
„Wie viel Zeit haben wir?“
„Drei Tage, Mr. Flemming. Was sollen wir also tun?“
Keith ging in sich und starrte angestrengt zu Boden. Er schien diverse Optionen
gegeneinander abzuwägen. Michelle fragte sich währenddessen, warum Mr. Tirado
ausgerechnet seinen Verwalter um Rat in dieser Sache fragte. Die Polizei wäre ihr
weitaus logischer vorgekommen.
„Mr. Tirado, hören Sie bitte!“
Offenbar war er zu einem Ergebnis gekommen und Michelle war gespannt, wie das
aussehen mochte.
„Wenn wir drei Tage haben, sollten wir die Frist voll ausschöpfen. In der Zwischenzeit
lasse ich meine Kontakte spielen und versuche herauszufinden, wer dahinter steckt.
Unternehmen Sie nichts ohne Rücksprache mit mir!“
„In Ordnung, Flemming ich vertraue Ihnen. Aber tun Sie nichts, was Juanita in Gefahr
bringen könnte. Wenn Sie nicht weiterkommen, dann geben Sie mir umgehend
Bescheid und ich beende den Spuk sofort. Meine Tochter ist mir tausendmal wichtiger,
als dieser Steinhaufen von einem Haus!“
Den Spuk beenden, sagt er. Wenn er das doch nur könnte.
Für einen winzigen Moment war Michelles Denken wieder von Angst um sich selbst
beherrscht, doch die drängte den Gedanken beiseite. Es ging hier jetzt nicht um sie. Es
ging um Juanita.
Das Gespräch war beendet und Keith sagte kein Wort. Wenn er einen Plan hatte, war
er nicht gewillt, darüber zu sprechen. Viel wahrscheinlicher fand Michelle die
Möglichkeit, dass Keith einfach keinen Plan hatte. Wie sollte er auch? Er war
Hausmeister, wenn man es genau nahm, auch wenn er selbst sich als die rechte Hand
von Mr. Tirado bezeichnete. Warum nur legte Juanitas Vater die Verantwortung
ausgerechnet in seine Hände? Es war zum Verzweifeln, wie sehr die Welt in den letzten
Tagen aus den Fugen geraten war. Reichte es denn nie? War es denn nicht genug,
dass Harry tot war und nie mehr wiederkommen würde? Nein, es musste auch noch
erst Harrys Geist auftauchen, dann diese verfluchte Finca, in der es spukte und zur
Krönung war jetzt auch noch ihre beste Freundin entführt worden.
„Was ist hier nur los, Keith?“
Er schreckte aus seinen Gedanken hoch und sah sie verständnislos an.
„Juanita Tirado ist entführt worden, das hast du doch gehört.“
Mit einem wütenden Aufstampfen machte sie ihrem Unmut Luft.
„Oh, das meine ich doch nicht, du Genie! Warum glaubt Mr. Tirado, dass ausgerechnet
du der richtige Mann bist, Juanita zu retten? Bist du Supermann? Kannst du etwas, das
die Polizei nicht besser kann? Irgendwas? Und wenn wir schon dabei sind: Was geht in
diesem Haus hier vor sich? Warum sagt mir niemand, dass ich mich in ein Spukschloss
eingemietet habe?“
Ihre Augen schleuderten Blitze in Keith´ Richtung, und obwohl sie wusste, dass sie
ungerecht war, konnte sie nicht anders.
„Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Michelle. Was soll mit dem Haus sein?“
Doch Michelle winkte ab und sagte nur: „Juanita! Wieso du?“
„Das muss ich dir wohl wirklich erklären“, räumte er ein.
„Wie ich schon sagte: Ich verwalte für Mr. Tirado nicht nur seine Finca. Das wäre sogar
für einen normalen Hausmeister nicht auslastend.
Ich vertraue dir jetzt etwas an, das du unbedingt für dich behalten musst.
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