Der Fluch der Finca
sogar schon lauter, doch Keith fand nichts, auf
das er seine Waffe hätten richten können. Die Verwirrung in seinen Augen konnte
Michelle nur zu gut nachvollziehen.
„Was ist das?“
Michelle war unfähig zu antworten. Sie hatte gehofft, sich in Keith´ Gesellschaft sicherer
zu fühlen, wenn es wieder losging, doch es wirkte nicht.
„Michelle, verdammt! Woher kommt das?“
Keith dreht sich mit vorgehaltener Waffe um die eigene Achse und zielte mal hierhin
und mal dorthin, denn die Quelle der Stimme veränderte sich laufend – und es wurden
mehr Stimmen. Jede Sekunde kam eine neue hinzu und Michelle wusste, wie es enden
würde.
Nein, ich glaube nicht, dass es dieses Mal damit endet, dass wir einfach ohnmächtig
werden. Wenn uns das passiert, werden wir nicht einfach morgen wieder aufwachen.
War das möglich? Konnte ihre innere Stimme Recht haben? Es blieb keine Zeit,
darüber nachzudenken. Michelle überwand mit reinem Willen ihre Starre und rannte
stolpernd durch das Haus bis ins Schlafzimmer. Die Luft ging ihr langsam aus, das Herz
raste und ihr wurde von Sekunde zu Sekunde schwindliger. Von unten hörte sie Keith
einen unsichtbaren Gegner anbrüllen. Doch auch seine Stimme klang schon
beunruhigend anders. Nicht mehr lange und er würde nicht mehr anders können, als die
Waffe fortzuwerfen und sich die Ohren zuzuhalten, doch dann konnte es schon zu spät
sein, die Ohnmacht noch zu verhindern.
Und dann kommen sie und holen dich! Also beeile dich, in Gottes Namen!
Mit zitternden Fingern bekam sie die Wattepads von ihrem Nachtschrank zu fassen,
stopfte sich hektisch eines in jedes Ohr und rannte mit den anderen zurück zu Keith.
Ein Schuss dröhnte durch das Haus und Michelle wäre beinahe auf der Treppe
gestürzt.
„Keith!“, kreischte sie in Panik. Wenn ihm etwas geschah, würde sie es sich nie
verzeihen.
Ich komme zu spät, oh Gott, ich komme zu spät
, jammerte ihr gepeinigter Verstand.
Sie erreichte das Wohnzimmer und rammte mit ihrer Schulter aus vollem Lauf gegen
den Türrahmen. Schmerzen explodierten in ihrem Arm und ein erstickter Schrei kam
aus ihrem Mund, der sofort in einen Hustenanfall überging. Eine Pistole, wenn sie in
einem geschlossenen Raum abgefeuert wurde, machte nicht nur einen infernalischen
Krach, sondern erzeugte auch eine beißende Rauchwolke, der die Atemwege angriff,
sobald man einen tiefen Atemzug tat.
Die Waffe hatte Keith bereits fallen gelassen. Er stand mit verzerrtem Gesicht in der
Mitte des Raums und hielt sich krampfhaft die Ohren zu. Das Brausen der Stimmen
hatte schon fast seinen Höhepunkt erreicht, was für Michelle selbst durch die
dämpfende Watte hindurch klar zu hören war. Sie schrie ihn an, dass er sich zu ihr
umdrehen solle und für einen fürchterlichen Augenblick lang glaubte sie, er würde sie
nicht hören und einfach zu Boden stürzen. Doch er hatte sie gehört und sah sie mit weit
aufgerissenen Augen, die ihm schon aus den Höhlen traten fassungslos an.
„Fang!“, schrie sie und warf ihm die Wattepackung zu. Seine Reflexe waren noch gut
genug und er fing sie auf. Weil er dazu aber die Hände von den Ohren nehmen musste,
war er jetzt der vollen Wucht des Schalls ausgesetzt. Er brüllte mit all seiner Wut und
Verzweiflung gegen das Tosen an, während er die Packung zerfetzte, um die rettende
Watte zu gelangen.
Michelle beobachtete entsetzt, wie er sich abmühte, die Ohren zu verstopfen, bevor er
einfach das Bewusstsein verlieren und stürzen würde. Es dauerte alles viel zu lange. Er
würde es nicht schaffen.
Mit einem Aufschrei stürzte sie vorwärts und warf sich vor Keith auf den Boden, denn er
hatte mittlerweile alle Wattepads fallen lassen und begann mit zugehaltenen Ohren in
die Knie zu sinken. Der Geräuschpegel war jetzt so hoch, dass die Luft in Bewegung
geriet. Windstöße fuhren ihnen durch die Haare, die Temperatur war auf gefühlte
Minusgrade gesunken und zu den Stimmen gesellte sich jetzt auch noch ein Klopfen,
das von allen Wänden und Fenstern gleichermaßen zu kommen schien.
Mit Gewalt riss Michelle ihrem neuen Geliebten die verkrampften Hände vom Kopf und
stopfte ihm die hoffentlich rettende Watte in die Ohren.
Vielleicht war es noch nicht zu spät. Michelle betete, während sie mit ansehen musste,
wie Keith trotz verstopfter Gehörgänge die Augen nach oben verdrehte und zu Seite
sank. Es waren Sekundenbruchteile, die jetzt über Leben und Tod entscheiden konnte.
Woher sie wusste,
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