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Der Fluch der Finca

Der Fluch der Finca

Titel: Der Fluch der Finca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Dalton
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schwenkte,
als hätte sie noch einen Schuss in petto. Es stank nach verbranntem Fleisch, nach Verwesung
und Staub.
    So fühlt man sich also, wenn man bloß noch Sekunden zu leben hat.
    Weder Angst noch bedauern schwangen in diesem Gedanken mit. Für Michelle war es
nur die Feststellung einer interessanten Tatsache. Über Angst, Wut und Trauer war sie
jetzt weit hinaus. Sie hatte sich ihrem Schicksal bereits ergeben. Nur schnell würde es
hoffentlich gehen.
    „Kommt schon, ihr Mistviecher! Was ist? Worauf wartet ihr, häh!“
    Mit breiter Brust und erhobenem Kopf schrie Keith ihnen seine Verachtung entgegen
und dann begann er, auf sie zuzugehen.
    „Ihr traut euch wohl nicht, was? Dann komme ich eben zu euch. Bringen wir es hinter
uns!“
    Erstaunlicherweise stürzten sie sich nicht auf ihn, um ihn zu zerfleischen. Sie gaben
sogar einen Weg frei und bildeten einen Korridor zur zerstörten Tür hin. Michelle
beobachtete diese Szene ungläubig. Boten sie ihm die Möglichkeit, zu gehen? Konnte
er jetzt tatsächlich einfach hinaus in die Nacht marschieren, ohne dass sie ihm ein Haar
krümmen würden? Was hätte dann der ganze Wahnsinn für einen Sinn gehabt?
    Das Gleiche schien Keith zu denken und ganz offensichtlich traute er dem Braten nicht,
denn er bewegte sich nicht mehr vom Fleck. Der Gedanke, durch dieses Spalier zu
gehen, hätte Michelle auch nicht behagt. Es sah aus, als würden sie lediglich den Weg
zum Schafott freigeben. War das die Absicht? Sollten sie freiwillig das Haus verlassen
und in die Nacht hinausgehen, damit sie ihnen dort den Rest geben konnten? Nun, da
konnten sie lange warten. Entweder ging es hier drin zu Ende oder gar nicht.
    Doch Michelle musste feststellen, dass sie wieder einmal völlig falsch gelegen hatten.
Draußen, am Ende des Durchgangs, den die Wesen freigegeben hatten, leuchtete
plötzlich ein fahles Licht auf und fiel durch die zerstörte Tür ins Haus hinein. Ein Murmeln
und Raunen ging durch die Menge ihrer Feinde und der Korridor wurde noch einmal
verbreitert. Nein, sie sollten nicht hinausgehen. Etwas kam zu ihnen hinein.
    „Was ist das“, flüsterte Keith und schob sich dabei schützend vor Michelle. Das war
eine gute Frage, doch Michelle hatte keine Antwort – jedenfalls, bis sie es sah.
    Ein alter, vielleicht sechzigjähriger Mann mit schütterem weißen Haar und bekleidet mit
etwas, das wie ein Leichentuch aussah, schritt in einen Lichtkegel gehüllt durch die
Reihen der Untoten. Er selbst sah nicht so versehrt aus, wie die Anderen. Hätte er nicht
diese eingedrückte und blutverkrustete Schläfe an der linken Kopfseite gehabt, hätte
man ihn fast für einen lebenden Menschen halten können. Während er näher kam,
schenkte er seinen sich ergeben verneigenden Untergebenen keinerlei Beachtung. Er
fixierte allein Michelle und Keith und so unglaublich Michelle es auch vorkam, schenkte
er ihnen ein strahlendes Lächeln, als er vor ihnen stand.
    „Willkommen in meinem Haus. Gefällt es Ihnen hier?“
    Das Lächeln war also keineswegs freundlich gemeint. Zusammen mit der scheinheiligen
Frage, war es der blanke Hohn und das brachte Michelle in Rage.
    Was soll´s? Soll er mich doch töten!
    Sie holte aus und schlug ihn mit der flachen Hand. Alle Verachtung, die sie aufbringen
konnte, hatte sie in diesen Schlag gelegt, doch sie wünschte sich augenblicklich, sie
hätte es nicht getan. Die komplette Haut seiner linken Wange blieb an ihrer Hand
kleben und wurde ihm mit dem darunterliegenden Fleisch vom Knochen gezogen.
Seine Reaktion darauf war gleich null. Das Grinsen wich nicht aus seinem Gesicht, das
jetzt auf groteske Weise entstellt war und sein Kopf zuckte keinen Millimeter zurück.
Angeekelt versuchte Michelle, den Lappen aus Haut und Muskeln von ihrer Hand zu
schütteln, während sie verzweifelt darum rang, sich nicht zu übergeben.
    Der Fremde zuckte verächtlich mit dem verbliebenen Mundwinkel und krächzte ein
höhnisches Lachen. Dem Beispiel ihres Gebieters folgend, begann jetzt die ganze
Horde zu lachen. Es klang scheppernd, bei einigend gurgelnd, als hätten sie den
Rachen voll mit geronnenem Blut und bei wieder anderen hörte es sich an wie das
Winseln eines asthmatischen Hundes. Der Alte schnitt diesen Chor mit einer abrupten
Handbewegung ab und fixierte wieder Michelle.
    „Meine schöne, mutige Dame, ich will Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Sie handelt
von einem Mann, der es durch den Anbau und Verkauf von Oliven zu

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