Der Fluch der grünen Steine
wenn das kein Anlaß ist, ein neues Hospital, das erste in dieser Gegend, solange die Welt besteht, dann gibt es überhaupt keinen Grund mehr zu feiern!«
Rührung überkam Dr. Mohr. Er sah sich im OP um. Die Kisten standen zwar geöffnet, aber noch unausgepackt an den Wänden. Vier Blechschränke mit weißer Emaillelackierung lehnten, noch nicht zusammengesetzt, daneben: die Instrumenten- und Medikamentenschränke. Im Nebenraum stapelten sich die schweren Kisten des Röntgengerätes. Das Narkosegerät, besonders empfindlich, war mit einer Plane abgedeckt.
Dr. Novarra, der draußen auf dem Vorplatz geblieben war, hob die Hand. Im gleichen Augenblick ratterte der Motor des Generators los. Eine armselige Glühbirne an der Decke des OPs begann zu flackern und zu zucken, dann brannte sie, hell leuchtend und eine neue Zeit verkündend.
Die Menschenmenge vor dem Hospital klatschte wieder in die Hände. Dr. Simpson wischte sich ergriffen über das Gesicht.
»Das ist wie eine zweite Schöpfung, Kollege. Licht! Elektrisches Licht! Man möchte sich darunter stellen und sich bestrahlen lassen, als sei's eine Dusche! Und Sie stehen da und sagen kein Wort …«
»Fangen wir an!« Dr. Mohr atmete tief auf. Miguel rannte los, riß einen weißen Arztkittel aus einem Karton, entfaltete ihn und hielt ihn auf. Dr. Mohr zog ihn an und hörte, wie hinter ihm ein Rollwagen hereingefahren wurde.
Margarita kam mit einem Arsenal von Instrumenten, alle noch steril in Plastikhüllen verschweißt. So, wie sie verpackt gewesen waren. Sie blieb neben dem OP-Tisch stehen und lächelte madonnenhaft.
»Ich weiß nicht, was du brauchst«, sagte sie. »Ich habe einfach von allem ein Stück genommen. War das falsch?«
Er schüttelte den Kopf. Die geschäftige Hilflosigkeit um sich herum fand er rührend. Ein Chaos von Kartons und Kisten umgab ihn, immer neue wurden von draußen hereingeschleppt, aufgeschnitten, Holzdeckel aufgestemmt … und zwischen diesen Materialbergen saßen geduldig die Patienten auf Kistenrändern oder Säcken und warteten auf ihren Médico.
»Aldi, wir ziehen die Luxation vor!« sagte Dr. Mohr. »Ich sehe gerade da hinten einen Karton mit elastischen Binden und Schienen. Her damit! Kümmern Sie sich um die Herrichtung des Instrumentariums für die Schußverletzung. Die Luxation richte ich mit Miguel allein. Wo der festhält, rührt sich kein Bulle mehr …«
Spät in der Nacht saß Dr. Mohr dann auf einem Hocker neben dem Operationstisch und sah mit hohlen Augen zu, wie Miguel mit einem einfachen Reisigbesen, der aller Hygiene und Sterilität Hohn sprach, den OP ausfegte. Er war todmüde. Maria Dolores hatte ihm einen starken Tee gekocht, aber auch der Schnaps, den sie dazwischenmischte, konnte ihn nicht mehr aufmuntern. Margarita stand hinter ihm und massierte ihm die Nackenmuskeln, ein altes Hausmittel, das sonst immer half. In diesem Stadium der Erschöpfung war es nur wie ein dumpfes Streicheln.
Dr. Simpson, der begonnen hatte, neben der Patientenkartei auch noch eine Operationskartei anzulegen, hockte vor einem kleinen Tisch mit emaillierter Blechplatte und reckte sich mit einem langgezogenen Seufzen.
»Das waren heute in der chirurgischen Ambulanz 49 Fälle. Morgen werden es 80 sein, übermorgen 100 und mehr. Chef, dabei gehen wir vor die Hunde. Das ist zeitlich nicht zu schaffen, medizinisch überhaupt nicht! In ein paar Tagen werden wahre Wanderungen stattfinden. Da schleppen sie die Kranken auf Mulis oder auf dem Rücken zu uns und legen sie uns vor die Tür, wenn wir sagen: Schluß! Es geht nicht mehr! Wir können hier zehn Ärzte gebrauchen.«
»Dann wird es eben Wartezeiten geben.« Dr. Mohr hielt Margaritas Hände fest. Ruhe … jetzt brauche ich Ruhe, dachte er. Schlafen möchte ich … rund um die Uhr. Die Ohren und die Augen verkleben, nichts mehr hören und sehen … nur schlafen … »Nur die wirklich dringenden Fälle werden angenommen …«
»Jeder, der hierher kommt, betrachtet seine Krankheit als dringend behandlungsbedürftig. Sagen Sie denen mal: Jungs, geht wieder nach Hause. Ihr seid nicht so krank, um behandelt zu werden. Gießt euch kaltes Wasser über den Leib, das hilft auch! Wissen Sie, was dann passiert?«
»Ein großes Geschrei.«
»Wenn's nur das wäre!« Simpson wischte sich mit beiden Händen über das zerknitterte Gesicht. »Je nach Temperament werden die einen Sie bespucken, andere Ihnen in den Hintern treten, ganz Rabiate stürmen das Hospital und zwingen Sie mit gezogener
Weitere Kostenlose Bücher