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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Er durfte jetzt nicht zurückschauen, sondern musste es schaffen, den Burgberg zu verlassen, ohne dass jemand misstrauisch wurde.
    »Dringender Auftrag vom Waffenmeister«, erklärte er knapp, als er die Stallungen erreicht hatte, und erweckte dabei den Eindruck, nicht übermäßig begeistert von diesem Auftrag zu sein. Der Stallmeister nickte nur und wies einen der Knechte an, den Sattel zu holen. Daniel führte seinen Hengst selbst aus dem Stall und legte Hand an beim Satteln – nichts Ungewöhnliches für einen Knappen, noch dazu für einen so jungen.
    Dann saß er auf und gelangte, ohne aufgehalten zu werden, zum Tor hinaus. Das Letzte, was er hörte, war ein Aufschrei der Menge im markgräflichen Palas. Schaudernd bekreuzigte er sich und betete, dass seinem Stiefvater und dem Mann seiner Schwester nichts Schlimmes zugestoßen war.
    Oder seiner Mutter.
    Während er die gewundenen Gassen den Burgberg hinabritt, überlegte er, wie er vorgehen sollte. Den Weg zu finden, war für ihn nicht schwierig – das wurde von einem fünfzehnjährigen Knappen erwartet, und er war ihn oft genug geritten. Doch sollte er geradewegs nach Freiberg galoppieren oder lieber ein paar Umwege über schmale Seitenpfade reiten für den Fall, dass er verfolgt wurde? Hartmut hätte ihn nicht fortgeschickt, wenn er ihn nicht in äußerster Gefahr glaubte.
    Deshalb entschloss er sich, den schnellsten Weg zu nehmen. Er war ein guter Reiter, sein Pferd ausdauernd und er keine allzu große Last mit seinen fünfzehn Jahren, ohne Kettenpanzer und Waffen, abgesehen von seinem Dolch. Wenn Clara wirklich in Gefahr war, durfte er keine Zeit verlieren. Sie musste Freiberg verlassen haben, bevor jemand mit dem Befehl eintraf, dort nach ihr zu suchen.
    Kaum hatte er die Stadt hinter sich, trieb er sein Pferd in gestrecktem Galopp voran. Das Tier hatte keine Mühe, so Meile um Meile zurückzulegen, sondern genoss den schnellen Lauf mit seiner leichten Last.
     
    Kurz vor Freiberg brachte Daniel seinen Braunen dazu, in Trab zurückzufallen. Er wollte so wenig Aufsehen wie möglich erregen, wenn er das Stadttor passierte. Inzwischen war es Morgen, und vor dem Meißner Tor drängten sich Dutzende Menschen, um die Stadt zu betreten. Ohne jemanden auch nur eines Blicks zu würdigen, ritt Daniel an ihnen vorbei, erwiderte mit einem knappen Nicken den Gruß der Wachen und atmete erleichtert auf, als ihn niemand anhielt und fragte, wieso er allein unterwegs war. Ganz zu schweigen davon, dass hier vielleicht schon jemand auf ihn lauern konnte, der von Albrecht den Befehl dazu erhalten hatte.
    Durch die Meißner Gasse, vorbei an den Häusern der Gerber und am Unteren Markt, ritt er zum Burglehen, zu Reinhards Haus. Dort angekommen, sprang er aus dem Sattel, drückte die Zügel einem verdutzten Knecht in die Hand und fragte: »Wo ist deine Herrin? Im Haus?«
    »Ja, junger Herr«, antwortete der Knecht. »Aber Ihr könnt jetzt nicht zu ihr …«
    Daniel überhörte diesen Einwand und stürzte hinein. Als er unten niemanden sah, rannte er mit großen Schritten die Treppe hinauf und riss die Tür zur Kammer auf. Dort sah er Clara mit schmerzverzerrtem Gesicht stehen, die Arme in den Rücken gestützt und den hochgewölbten Leib nach vorn gereckt. Johanna war bei ihr und goss dampfendes Wasser in eine große Schüssel, während auf der Bank neben ihr Leinentücher bereitgelegt waren. Zwei Mägde standen bei ihnen und starrten ihn vorwurfsvoll an.
    »Wir müssen sofort die Stadt verlassen!«, platzte er heraus, bevor ihm aufging, was der Anblick zu bedeuten hatte: Die Geburt stand bevor.
    »Junger Herr …«, wollte die ältere Magd einwenden, doch Clara schickte sie und die jüngere Magd sofort hinaus. Dann ließ sie sich auf die Bank sinken und fragte mit schreckensbleicher Miene: »Ist etwas mit meinem Mann? Und mit Stiefvater? Was ist mit Mutter?«
    Sie muss es gespürt haben, dachte Daniel beklommen. Vielleicht weiß sie sogar mehr als ich. Hatte sie wieder einen dieser Träume?
    »Ich kann dir nichts Genaues sagen, wir können nur für sie beten«, gab er kleinlaut zu. »Aber Hartmut hätte mich nicht fortgeschickt, wenn nicht unmittelbar Gefahr bestünde …«
    Er zögerte. »Wie ist das mit dir … Kannst du …?«
    Verunsichert wies er auf ihren schweren Leib.
    »Die Wehen haben begonnen«, erklärte die besorgte Johanna. »Schon seit dem Morgengrauen. Sie wird nicht weit kommen. Genau genommen, kann sie jetzt unmöglich irgendwohin, außer auf den

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