Der Fluch der Hebamme
Truchsess mitzuteilen, was jeder von euch beisteuern wird. Wir wollen doch sichergehen, dass es bei diesem Fest an nichts fehlt.«
Nun richtete er seinen Blick auf Clara, die mit hämmerndem Herzen und gesenktem Blick immer noch vor ihm kniete.
»Es wird Zeit, die glückliche Braut in Augenschein zu nehmen. Steh auf und tritt vor, Kind. Und fürchte dich nicht.«
Albrecht musterte Clara mit einem Blick von Kopf bis Fuß, den Marthe nur zu gut kannte.
»Wirklich eine Schönheit«, sagte er. »Doch warum zeigt Ihr uns nicht mehr davon? Enthüllt Euer Haar, wie es sich einer Jungfrau geziemt, damit Euer Bräutigam sieht, was er bekommt.«
Clara wusste, dass es nun auf jedes Wort und jede noch so kleine Geste ankam. Sie stand allein vor dem neuen Markgrafen, und alle Blicke in der Halle waren auf sie gerichtet. Weder ihre Mutter noch Lukas konnten ihr jetzt helfen. All die höfischen Redensarten und Minnelieder, die ein Ritter zu kennen hatte, konnten sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass jeder der Männer auf den Bänken eine Macht und Kraft verkörperte, der sie nichts entgegenzusetzen hatte außer dem kostbaren Kleid, das ihren Stand anzeigte.
»Geziemt es nicht einer Jungfrau, sich züchtig zu kleiden, um keine unkeuschen Blicke auf sich zu ziehen?«, fragte sie vorsichtig mit gesenkten Lidern zurück.
»Brav geantwortet! Aber interessiert dich denn gar nicht, wen von meinen Männern ich dir als Bräutigam ausgewählt habe?«
Clara ließ den Blick zögernd über die Männer in Albrechts unmittelbarer Umgebung schweifen und sah ihr höhnisches Grinsen. Noch war der Name des Bräutigams nicht genannt. Was, wenn Albrecht sie einem ganz anderen geben würde, zum Beispiel diesem widerlichen Giselbert?
»Ich bin sicher, Ihr werdet gut gewählt haben, Durchlaucht«, sagte sie, und das Zittern in ihrer Stimme war nicht gespielt.
»Oh, das habe ich«, versprach Albrecht. Die offenkundige Angst des Mädchens zerstreute seinen Argwohn angesichts der geringen Einwände der Brauteltern.
»Du wirst morgen mit meinem bewährten Ritter von Reinhardsberg vermählt. Über die Brautgabe wird er sich noch heute Abend mit deinem Stiefvater einigen. Und nun gehorche und löse dein Haar!«
Mit klammen Fingern kam Clara dem Befehl nach.
»Meistens sind es doch gerade diejenigen, die besonders keusch tun, auf die an jeder Ecke ein anderer Liebhaber wartet«, rief ein stämmiger Kerl mit dichtem schwarzen Bart aus der Mitte der Halle und brachte damit seine Tischnachbarn zum Lachen.
Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als Lukas schon bei ihm war und ihn von der Bank riss. Noch bevor jemand eingreifen konnte, zwang er den Rufer auf die Knie und drückte ihm den Arm um die Kehle. Den Dolch durfte er nicht ziehen in Anwesenheit des Markgrafen – das hätte seinen Tod bedeutet.
»Du nimmst das sofort zurück und entschuldigst dich bei mir und meiner Stieftochter!«, brüllte er. »Oder wir tragen die Sache auf dem Burghof mit dem Schwert aus!«
Albrechts Leibwachen hatten die Waffen gezogen, doch der Markgraf hielt sie mit einer Geste davon ab, einzugreifen.
»Hört sofort auf damit!«, befahl er Lukas streng und schüttelte in vorgetäuschter Missbilligung den Kopf. »Ich dulde es genauso wenig wie mein Vater – Gott schenke ihm Gesundheit –, dass sich meine Ritter streiten. Und ich will nicht, dass dieses Fest, mit dem mich morgen ganz Freiberg als neuen Herrn der Mark willkommen heißt, durch einen Zweikampf auf Leben und Tod getrübt wird. Es soll doch niemand sagen, dass meine Herrschaft mit einem Blutvergießen beginnt.«
Auffordernd sah Albrecht in die Halle, aber außer einem dünnen »Natürlich nicht!« von einer der hinteren Bänke fiel kein Wort.
»Andererseits wurde gerade die Ehre einer Jungfrau in Frage gestellt …«
Reinhard trat einen Schritt vor und verneigte sich.
»Wenn Ihr erlaubt, Durchlaucht – da Ihr mir das Mädchen vor all diesen Zeugen zugesprochen habt, ist es wohl auch an mir, für ihre Ehre einzutreten und zu kämpfen.«
Albrecht legte die Fingerspitzen seiner Hände aneinander und tat so, als würde er nachdenken.
»Hört meine Entscheidung!«, rief er schließlich. »Reinhard, sollten Eure Erwartungen enttäuscht werden, könnt Ihr sie natürlich in der Hochzeitsnacht zurückschicken. Doch so lange gilt sie durch mein Wort als keusch und unberührt. Dem Brautvater gestehe ich das Recht auf einen Zweikampf zu, um diese … Meinungsverschiedenheit auszutragen. Aber es wird kein
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