Der Fluch der Hebamme
aufbürdet?, dachte Lukas. Doch das sprach er nicht aus.
»Habt Ihr Nachricht von den Wallfahrern, die mit dem Kaiser ins Heilige Land gezogen sind?«, fragte er, bevor er seinen Becher austrank. Die Sonne ging auf, und gleich würde er mit seinen Männern aufbrechen müssen.
»Einer der Schreiber des Bischofs – Gott möge ihm beistehen! – schickt von unterwegs Berichte, solange das noch möglich ist«, berichtete der Abt. »Das Pilgerheer müsste mittlerweile Ungarn hinter sich gelassen haben. Größere Zwischenfälle meldete er nicht. Im Gegenteil: In Gran hat König Bela unseren Kaiser prachtvoll empfangen und reich beschenkt. Der Herzog von Schwaben verlobte sich mit Belas Tochter Konstanze. Und zuvor in Pressburg sollen sich dem Heer zwei junge Männer aus Meißen angeschlossen haben, von denen einer erst noch in den Ritterstand erhoben wurde.«
Ein Leuchten zog über Lukas’ Gesicht, der keinen Zweifel daran hatte, wer diese beiden jungen Männer waren. »Mein Stiefsohn und der Sohn Raimunds von Muldental! Bitte, schließt sie in Eure Gebete ein, Pater.«
»Das werde ich«, versicherte Peter und sah Lukas eindringlich an. »Aber wie mir scheint, braucht Ihr den Beistand des Herrn heute noch dringender. Ihr und Eure Männer solltet die Morgenmesse besuchen, bevor Ihr aufbrecht. Mag sein, es fließt heute noch Blut …«
Der Abt, der die Priesterweihen empfangen hatte, bot Lukas an, ihm die Beichte abzunehmen. Dankbar und erleichtert nahm dieser das Angebot an. Wenn heute tatsächlich Blut floss, dann mit Sicherheit seines zuallererst.
Nachdem Lukas Absolution gewährt worden war, weckte er die Kämpfer, die diese Nacht nur wenig Schlaf bekommen hatten. Zusammen mit den Brüdern von Marienzelle gingen sie zur Laudes, bevor sie Richtung Freiberg ritten, um Albrecht und seine Gefolgsleute zu stellen.
Die Ankunft von mehr als vier Dutzend bewaffneten und voll gerüsteten Reitern sorgte für Angst und Schrecken bei den Stadtbewohnern, die sie kommen sahen.
»Reite mit den anderen zu Vogt Heinrich und sag ihm, dass Otto seinen erneuten Treueeid erwartet«, rief Lukas Reinhard zu, als sie das erste Stück Weg vom Meißner Tor zur Burg zurückgelegt hatten. »Ich muss zum Schmied.« Er deutete auf die linke Vorderhand seines Fuchshengstes, als gebe es dort ein Problem mit dem Hufeisen.
Reinhard nickte und gab den Leuten das Zeichen, ihm zur Burg zu folgen, während Lukas die Männer an sich vorbeiließ und dann sein Pferd Richtung Mühlgraben zu Jonas’ Schmiede lenkte.
Er bedauerte es zwar außerordentlich, nicht miterleben zu dürfen, wie Heinrich erfuhr, dass er vorschnell den Herrn gewechselt hatte. Allerdings war Otto durchaus klar, dass der Mann kaum anders hätte handeln können. So jedenfalls konnte der Markgraf sicher sein, dass der Freiberger Vogt nun noch beflissener jeden seiner Befehle befolgte.
Außerdem, ermahnte sich Lukas, ist Schadenfreude keine christliche Tugend. Er hatte jetzt Wichtigeres vor und sollte besser alle Aufmerksamkeit darauf richten.
Die Schmiede befand sich in der Nähe des Baches, der durch die junge Stadt floss. Wegen der Brandgefahr bestand sie nur aus leicht überdachtem Ständerwerk, und so sahen ihn Jonas und sein ältester Sohn schon aus einiger Entfernung kommen. Der junge und der ältere Schmied arbeiteten mit halbnackten, schweißüberströmten Oberkörpern an einem rotglühenden Eisen, dessen künftige Bestimmung sich noch nicht erraten ließ. Lange Lederschürzen schützten ihre Leiber vor den sprühenden Funken. In ihren Haaren hingen graue Flocken, und der nächste Windstoß trieb Asche vom Kohlebecken auch in Lukas’ Richtung.
Der Ratsmann Jonas gab dem Schmiedegehilfen einen Wink, der daraufhin zu dem Gast rannte, um sein Pferd am Zügel zu nehmen. Lukas saß ab und befahl dem Jungen, den Hengst anzubinden und die Hufe auszukratzen.
Ohne sich weiter darum zu kümmern, ging er geradewegs zu Vater und Sohn, die nun das glühende Eisen mit Zangen packten und in einen Bottich voll Wasser senkten. Es zischte laut und brodelte, aufwallender Wasserdampf umhüllte für einen Moment die Schmiede und ihren Besucher.
»Er ist bei Berthold im Nachbardorf, mit seinem ganzen Gefolge«, sagte Meister Jonas leise, dem klar war, was Lukas von ihm erfahren wollte. »Dieser war zwar wenig erfreut über die Ehre, so viele Leute beköstigen zu dürfen, aber er nutzt die Gelegenheit weidlich, sich bei seinem künftigen Herrn beliebt zu machen.«
»Sind sie durch
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