Der Fluch der Hebamme
schien, das Anwesen aber deutliche Anzeichen dafür aufwies, dass gerade eine größere Menschenmenge in ziemlicher Hast aufgebrochen war.
»Zum südlichen Dorfausgang«, meinte Reinhard.
Lukas nickte und gab seinem Hengst die Sporen.
Bis hier ist mein Plan aufgegangen, dachte er sarkastisch, als er am Dorfende den Weg durch mindestens zwei Dutzend Ritter versperrt sah, die sofort ihre Schwerter zogen. Allmächtiger Vater im Himmel, bitte sorg dafür, dass mein Glück noch ein bisschen anhält!
In mäßigem Abstand brachten Lukas und Reinhard ihre Hengste zum Stehen und ließen die Zügel sinken, ohne zu den Waffen zu greifen.
Auf Elmars Befehl löste sich ein Teil der Bewaffneten aus dem Haufen. Augenblicke später waren Lukas und Reinhard von zwölf Männern umzingelt, die allesamt die blanken Klingen auf sie richteten.
Nun drängten sich Albrecht und Elmar mit ihren Pferden nach vorn.
»Sieh an, sieh an! Welch wunderbares Geschenk!«, sagte Albrecht zu Reinhard, der sich ehrerbietig verneigte.
»Ich bin beeindruckt. Ihr habt uns nicht nur rechtzeitig gewarnt, damit wir die Weiber und den Tross in Sicherheit schaffen konnten, Ihr liefert mir auch noch wie versprochen diesen unliebsamen Freiberger aus, der mir schon lange ein Dorn im Auge ist!«
Lukas blieb äußerlich gelassen. »Ich glaube zwar sofort, Hoheit, dass mein ungeliebter Schwiegersohn mich Euch gern zum Geschenk machen würde«, sagte er mit einer Verbeugung. »Doch er hat mich nicht überlistet. Ich komme aus freien Stücken.«
»Und wozu das?«, fragte Albrecht höhnisch. »Damit ich Euch köpfen lasse? Habt Ihr endlich eingesehen, dass ich mich bedeutend wohler fühlen würde ohne Eure lästige Gegenwart?«
»Das steht Euch natürlich frei, Hoheit«, erwiderte Lukas. »Doch was würdet Ihr damit erreichen? Ich will nicht so vermessen sein zu glauben, dass Euer Vater über meinen Tod erzürnt sein würde. Doch er hat uns fünfzig Ritter mitgegeben, die nur eine halbe Meile entfernt von hier warten. Bin ich nicht bald zurück, werdet Ihr Euch mit ihnen allen schlagen müssen, und das könnte Euch auf Eurer Reise … etwas aufhalten.«
»Und weshalb kommst du dann ohne sie?«, warf Gerald ein. Es war nicht zu übersehen, dass der Marschall seinem Schwager kein Wort glaubte.
Nun verschwand jeder Spott aus Lukas’ Gesichtszügen.
Geralds Einwurf übergehend, wandte er sich erneut an Albrecht: »Ich wollte Euch – in ausdrücklicher Zuwiderhandlung gegen die Befehle Eures Vaters – die Möglichkeit einräumen, das Dorf zu verlassen, bevor es zum Kampf kommt. Ihr habt mein Wort: Niemand wird Euch verfolgen. Ich führe die Männer in eine andere Richtung, weil ich Euch angeblich dort vermute.«
Albrecht zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Wollt Ihr Euch etwa andienen? Ihr enttäuscht mich. Andererseits seid Ihr wohl schlau genug, um zu erkennen, wann das Wetter umschlägt …«
»Ich will vermeiden, dass dieses Dorf niedergebrannt wird. Das müsste ich nach den Befehlen Eures Vaters tun, wenn bekannt wird, dass Ihr hier Aufnahme gefunden habt.«
»Wie rührend! Und woher wisst Ihr, dass wir hier sind? Habt Ihr uns etwa verraten, Reinhard?«
Lukas schüttelte den Kopf und antwortete selbst. »Mein Schwiegersohn verhält sich in letzter Zeit etwas undurchschaubar; genauer gesagt, seit der Rückkehr Eures Vaters. Aber verbünden wird er sich ganz sicher nicht mit mir. Ich möchte nicht prahlen, Hoheit, doch Ihr wisst vermutlich, dass es nicht viel im Umkreis von zehn Meilen um Freiberg gibt, das mir entgeht.«
Reinhard lenkte seinen Hengst ein paar Schritte vor an Elmars Seite.
»Otto hat mich mit deinen Ländereien belehnt«, sagte er leise und sah dem anderen dabei in die Augen. »Ich werde sie für dich hüten – bis zu deiner Rückkehr.«
Der Truchsess hörte ihm zu, schien zu überlegen und raunte Albrecht etwas zu.
»Wir reiten und verschonen diesen Bastard«, entschied Ottos Sohn. »Ich möchte mir nicht entgehen lassen, wie er erst zu Kreuze kriecht, wenn ich auf den Burgberg zurückkehre – als Markgraf von Gottes Gnaden.«
Er lachte und wendete sein Pferd. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne. »Dann hat uns also jemand aus diesem Dorf verraten?«, rief er zu seinen Männern. »Das darf nicht ungestraft bleiben. Brennt die Felder nieder!«
Er lehnte sich im Sattel zurück und sah zu, wie einige seiner Ritter ausschwärmten, um Strohbündel von den Dächern der nächsten Katen zu reißen, und sie an einer
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