Der Fluch der Hebamme
bewaffneter Männer, die mitten in der Nacht Einlass begehrten. Dann erkannte er einige von ihnen und wollte losschlurfen, um den Bruder zu holen, der für die Gästequartiere zuständig war, und ein paar Konversen wecken, damit sie die Pferde der Ritter versorgten.
»Wir suchen nur einen Platz für etwas Schlaf bis zum Morgen. Meine Männer werden sich selbst um ihre Pferde kümmern«, versicherte Lukas ihm und gab seinen Leuten das Zeichen, abzusitzen. Er wollte nicht noch mehr die nächtliche Ruhe stören. Die Zisterzienser arbeiteten hart, und ihre Nachtruhe war durch die vorgeschriebenen Gebetsstunden unterbrochen.
»Doch den Abt muss ich noch vor der Laudes sprechen. Ist er schon auf?«
Der Abt stand an einem Pult und schrieb im schwachen Schein einer Kerze, als Lukas seine Kammer betrat, und der Ritter fragte
sich, ob er wohl noch oder schon wieder bei der Arbeit sei.
Abt Peter, ein schmaler, aber zäher und kluger Mann, war vor fast dreißig Jahren als junger Mönch mit elf Mitbrüdern aus dem Kloster Pforta an der Saale aufgebrochen, um mitten im Dunklen Wald zu roden und eine neue Abtei zu errichten. Im Jahr des Herrn 1175 konnte das neue Kloster der Gottesmutter geweiht werden und Peter als Abt mit dem Konvent einziehen.
Ungeachtet der kurzen Dauer seines Bestehens war Marienzelle bereits ein gedeihlicher Ort. Kräuter aus dem Klostergarten, Holz von der Sägemühle und vor allem die schön illuminierten Handschriften der Mönche waren weithin begehrt.
Doch immer noch wurde hier kräftig gebaut, wie Lukas selbst im Dunkel der Nacht an den halbfertigen Gebäuden des künftigen Klausurbereiches hatte sehen können. Dafür war das vielstufige Rundportal am Eingang nun vollendet; schlicht und trotzdem von erhabener Schönheit.
»Jedes Mal, wenn ich hierherkomme, sehe ich Neues entstanden. Kaum vorzustellen, dass dieser Ort vor dreißig Jahren noch von dichtem Wald bedeckt war«, sagte Lukas, nachdem er den Abt ehrerbietig begrüßt hatte.
Ein Lächeln zog über das schmale Gesicht des Geistlichen, das die vielen Falten um seine Augen vertiefte.
»Gilt das nicht ebenso für Christiansdorf, für Freiberg?«, antwortete er. »Der Segen des Herrn scheint auf unserem Vorhaben zu ruhen, Land zu roden und urbar zu machen.«
Er nahm die Kerze vom Pult, um mit dem flackernden Licht Lukas’ Gesichtszüge erforschen zu können, und seufzte, nachdem er darin gelesen hatte. »Aber es scheint neues Unheil in der Mark zu geben, das Euch um diese Zeit hierhertreibt, mein Sohn. Setzen wir uns, und reden wir über die Dinge, die nicht einmal vor der Klosterpforte haltmachen.«
Die Zwistigkeiten zwischen dem alten und dem jungen Markgrafen betrafen auch die Zisterzienser in hohem Maße. Otto hatte das Kloster gestiftet und war dessen Vogt, Albrecht würde dieses Amt einmal zusammen mit der Mark übernehmen.
Lukas wehrte höflich ab, als der Abt ihm etwas von dem stärkeren Bier bringen lassen wollte, das für besondere Gäste bestimmt war.
»Wenn Ihr Dünnbier trinkt, dann werde ich nichts Besseres annehmen«, erklärte er. Am Lächeln des Abtes sah er, dass Peter mit dieser Antwort sehr zufrieden war.
Obwohl das Bier recht wässrig war, schmeckte es besser als das meiste, das in Meißen oder Freiberg ausgeschenkt wurde. Es war nicht so bitter, weil es mit Hopfen und nicht mit Eichenrinde gebraut wurde, und die vielerlei Zutaten, die die Stadtbewohner je nach Verfügbarkeit in den Sud warfen – von Waldbeeren bis Beifuß, Kümmel oder Wacholder –, verbesserten nur in den seltensten Fällen den Geschmack.
Lukas berichtete ausführlich. Einiges davon wusste der Abt schon durch die Bewohner des nahen Dorfes Nuzzin und von den Leuten aus der Umgebung, mit denen das Kloster Handel trieb. Doch Lukas hatte noch eine geheime Botschaft des alten Markgrafen für ihn.
»Sobald der Fürst kann, wird er eine größere Menge Silber diesem Kloster anvertrauen, damit Ihr und Eure Brüder nach seinem Tod für sein Seelenheil betet. Verwahrt es gut und nehmt Euch in Acht vor Albrecht! Ich glaube zwar nicht, dass er bei Euch um Kirchenasyl nachsucht, aber sollte er hier auftauchen, sendet uns umgehend Nachricht.«
»Gott schütze Markgraf Otto!«, seufzte der Abt bekümmert. »Der Allmächtige allein weiß, warum er diesen schlechten Menschen Albrecht über uns schickt. Straft er uns so für unsere Sündhaftigkeit?«
Welch schreckliche Sünden muss man begehen, damit der Allmächtige einem solch einen Herrscher
Weitere Kostenlose Bücher