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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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worden war, machte kein Hehl aus ihrer Verachtung für sie und tat so, als ob sie Luft sei. Nur ein einziges Mal hatte sie Clara gezwungenermaßen zur Kenntnis nehmen müssen, und die Umstände waren für alle Beteiligten erniedrigend.
    Als Albrecht erfuhr, dass seine Gemahlin nach wie vor nicht schwanger war, befahl er Sophia und deren neue Hofdame zu sich. Er zwang Clara mit Verweis auf das Heilwissen ihrer Mutter, vor aller Ohren zu erörtern, was sein Weib tun könne, um endlich ihre dringlichste Pflicht zu erfüllen und einen männlichen Erben auszutragen.
    Clara teilte die Scham und Verzweiflung der jungen Frau darüber, dermaßen bloßgestellt zu werden. In diesem Augenblick tat die Fürstin ihr leid. Als sie sprachlos über so viel Taktlosigkeit schwieg, drohte der Fürst, sie vor aller Augen auf dem Burghof auspeitschen zu lassen, falls sie nicht gehorche.
    Also antwortete sie so behutsam, wie es nur möglich war. Einige Möglichkeiten wollte sie mit Sophia lieber unter vier Augen beraten. Doch als Clara die Fürstin später leise darauf ansprach, wurde sie von ihr mit solch unverhülltem Hass zurückgewiesen, dass sie mitten im Satz verstummte.
    Die anderen Hofdamen wussten natürlich, dass ihre Herrin die junge Heilkundige nicht leiden konnte, und hüteten sich, Wohlwollen für sie zu entwickeln oder gar zu zeigen. Soviel heimliche Eifersüchteleien sie auch untereinander hegten – darin waren sie sich einig.
    Sie ließen Clara spüren, dass sie nicht aus einem alteingesessenen Geschlecht stammte, sondern ihre Eltern einfacher Herkunft waren, bis Otto sie für ihre Verdienste zu Edelfreien erhob. Dass Albrecht sie auch noch einem angesehenen, reichen Ritter zur Frau gegeben hatte, wurde ihr zusätzlich angekreidet. Reinhard hätte nach Meinung der Hofdamen etwas Besseres verdient.
    Sprechen durfte Clara nur, wenn sie dazu aufgefordert wurde, und mehr als ein »Ja, sofort!« wurde ihr kaum zugestanden. Die strengen oder herablassenden Blicke erstickten zumeist jede Erwiderung in ihr.
    Nicht einmal mit ihrem Bruder Daniel konnte sie ein Wort wechseln. Im Grunde genommen durfte sie mit überhaupt niemandem reden, außer nachts mit ihrem Mann.
    Doch auch Reinhard schien hier wieder ein Fremder zu sein. Abgesehen von den Nächten, blieb ihnen kaum Zeit, in der sie ungestört miteinander sein konnten. Und oft kam Reinhard erst spät, weil er an Albrechts Tafel befohlen worden war oder mit dem neuen Fürsten und dessen engsten Vertrauten trank, Schach spielte oder zur Jagd ritt.
    Wenn Clara aus der Gesellschaft der Fürstin entlassen war und er endlich in ihre Kammer kam, lag sie längst grübelnd im Bett; bemüht, all den Hass zu vergessen, der ihr am Hof entgegenschlug.
    Reinhard versuchte, ihr Wärme zu schenken. Seine leidenschaftlichen Umarmungen, von denen er kaum genug zu bekommen schien, bedeuteten ihr nicht das unermessliche Glücksgefühl, von dem die Minnesänger schwärmten. Sie suchte darin eher Trost als Erfüllung – wenigstens ein Mensch, der sie hier nicht verachtete, sondern begehrte.
    Manchmal in ihrer Angst und Einsamkeit sehnte sie sich nach ihm.
    Begann sie, ihn zu mögen? Ihn vielleicht sogar zu lieben?
    Aber die stumme Verachtung, der sie tagsüber ausgesetzt war, zerriss sie innerlich so sehr, dass sie erneut an ihm zu zweifeln begann. Jedes Mal, wenn sie sah, wie er mit Albrecht im besten Einvernehmen ausritt, wie er mit den Männern lachte, die sie hasste, kam er ihr vor wie ein Fremder – oder schlimmer noch: ein Feind.
    Trieb ihn nur männliche Wollust in ihr Bett? Prahlte er vielleicht vor den anderen, wie er sie bezwungen hatte?
    Wenn Reinhard – müde von der Jagd, den Waffenübungen und vom Liebesspiel – neben ihr einschlief, starrte Clara ruhelos ins Dunkel und suchte nach einer Antwort, ohne sie finden zu können.
     
    Marthe hatte Wort gehalten; schon einen Tag nach Claras Ankunft bekam der Schmied auf dem Meißner Burgberg einen neuen Gehilfen. Es war kein anderer als Guntram. Der mochte zwar in Freiberg unentbehrlich sein. Aber ihrem Stiefvater und auch Jonas schien offenbar wichtiger, dass sie hier ein vertrautes Gesicht in der Nähe wusste; jemanden, der im Notfall auch eine List zur Hand haben würde, um ihr zu helfen.
    Es war nur so, dass sie keinen Vorwand hatte, mit einem Schmiedegehilfen zu reden. Doch wenn sie mit der Fürstin auszureiten hatte und auf dem Hof wartete, dass man ihr das Pferd brachte, konnten sie wenigstens heimlich einen Blick tauschen.

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