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Wilde Flucht

Wilde Flucht

Titel: Wilde Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
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1
Targhee National Forest, Idaho
10. Juni
    Am dritten Tag ihrer Flitterwochen schlugen der berüchtigte Umweltaktivist Stewie Woods und seine Frau Annabel Bellotti lange Nägel in die Bäume des Nationalforsts, als ein Rind explodierte und die beiden in die Luft sprengte. Bis dahin war ihre Ehe glücklich gewesen.
    Sie hatten sich zufällig kennengelernt. Stewie Woods hatte einer Erdgassuchcrew tütenweise Zucker und Sand in die Benzintanks ihrer auf einem neu angelegten Parkplatz abgestellten Pick-ups geschüttet. Die Männer waren den Nachmittag über in die Bars und Hotels des nahe gelegenen Henry’s Fork gegangen. Einer allerdings war unerwartet zurückgekehrt und hatte Stewie überrascht, als der gerade eine Zuckerpackung mit den Zähnen aufriss. Der Erdgassucher hatte eine halbautomatische 9-mm-Pistole unter dem Armaturenbrett seines Wagens hervorgezogen und ein paar ungezielte Schüsse in Stewies Richtung gefeuert. Stewie hatte die Tüte fallen lassen, war davongerannt und wie ein Wapiti durchs Unterholz geprescht.
    Kaum hatte er den Mann mit der Pistole nach einigem Hakenschlagen abgehängt, stolperte er buchstäblich über Annabel, die auf einer Lichtung im orangefarbenen Licht des Nachmittags nackt ein Sonnenbad nahm und ganz in die Musik von Melissa Etheridge versunken war, die auf ihrem Walkman lief. Annabel sah gut aus, wie er fand: rotblondes Haar, feuerwehrrote Haut – zwei Stunden in der Sonne auf knapp zweitausendfünfhundert Höhenmetern, und man hat einen Sonnenbrand wie nach einem Tag am Strand –, kleine, aber schwere Brüste und sorgsam gestutztes Schamdreieck.
    Er hatte sie aufgelesen, durch den Wald gezerrt und sich mit ihr in einem ausgetrockneten Bachbett versteckt, bis der Mann mit der Pistole aufgab und umkehrte. Sie hatte gekichert, als er sie festhielt – » Das ist ein echtes Abenteuer«, hatte sie gesagt –, und er hatte die Gelegenheit genutzt, zögernd ihre Schultern und Hüften zu streicheln, und glücklich entdeckt, dass sie nichts dagegen hatte. Sie schlichen dorthin zurück, wo sie ihr Sonnenbad genommen hatte, und während sie sich anzog, machten sie sich bekannt.
    Sie sagte, es gefalle ihr, nackt einen berühmten Outlaw der Umweltbewegung im Wald getroffen zu haben, und das wiederum gefiel ihm; sie habe sein Foto schon irgendwo gesehen, im Magazin Outside vielleicht, und bewundere sein Aussehen – groß und hager, mit runder, randloser Brille, einem kurz gehaltenen Vollbart und dem berühmten roten Kopftuch.
    Sie selbst hatte allein in einem Kuppelzelt gecampt und sich auf ihrer ungebundenen Reise von der Ost- an die Westküste ein paar Tage Pause gegönnt, einer Reise, die mit der Scheidung von einem analfixierten Investmentbanker in ihrer Heimatstadt Pawtucket, Rhode Island, begonnen hatte. Die Fahrt sollte letztlich nach Seattle gehen.
    » Ich fange an, mich in deinen Verstand zu verlieben«, log er.
    » Jetzt schon?«, fragte sie.
    Er drängte sie, mit ihm zu reisen, und sie nahmen ihr Auto, da der unvermutet aufgetauchte Erdgassucher Stewies Subaru mit drei Schüssen in den Motorblock unbrauchbar gemacht hatte. Stewie staunte über sein Glück. Jedes Mal, wenn er sie ansah und sie zurücklächelte, haute es ihn fast um vor Freude.
    Auf Schotterstraßen erreichten sie Montana. Am nächsten Nachmittag machte er ihr auf dem Rücksitz ihres Geländewagens während eines Gewittersturms, der das Auto schwanken und verwehten Platzregen über den Gebirgspässen niedergehen ließ, einen Heiratsantrag. Angesichts der Umstände und der aufgeladenen Atmosphäre war sie einverstanden. Als der Regen aufhörte, fuhren sie nach Ennis, Montana, und erkundigten sich, wer sie rasch trauen könne. Stewie wollte nicht riskieren, sie davonkommen zu lassen. Sie sagte immer wieder, sie könne gar nicht glauben, was sie tue. Er konnte es auch nicht fassen und liebte sie deshalb nur umso mehr.
    Im Sportsman Inn von Ennis, Montana, in dem sich die Fliegenfischer drängten, die es an die forellenreichen Ufer des Madison River zog, nannte ihnen der Portier einen Namen, und sie schlugen im Telefonbuch die Adresse des pensionierten Richters Ace Cooper nach.
    Richter Cooper war ein müder, rundlicher Mann, der ein fleckiges weißes Cowboyhemd mit offenem Kragen und einen Bolotie aus Wapitihorn trug. Er nahm die Trauung in einer Kammer neben seinem Wohnzimmer vor, in der lediglich ein einsamer Aktenschrank, ein Schreibtisch und drei Stühle standen und zwei Fotos an der Wand hingen – das eine

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