Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
Vom Netzwerk:
will mir den Sonnenuntergang anschauen“, fragte ich die Jungs. Das Zimmer war in sattes gelbes Licht getaucht, und es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis sich das Gelb in Rot verfärben würde.
    „Du musst deine Spieler besser decken, Rob – Aufpassen, jetzt komm ich! Tooor!“, jubelte Oliver.
    „Hallo, kommt ihr mit?“
    „Was hast du gesagt, Mel?“, fragte Robert geistesabwesend und versetzte seine Männchen in rasante Rotationsbewegungen.
    „Den Sonnenuntergang – kommt ihr mit?“
    „Toooor!“
    In Ordnung. Ich würde also alleine gehen müssen. So wie ich die Lage einschätzte, würde ich nach zwei Stunden wiederkommen können, und keiner der beiden hätte bemerkt, dass ich weg gewesen war. Fußball, in welcher Form auch immer, ist und bleibt der beste Babysitter, den man sich für seine kleinen Brüder wünschen kann!
    Der Fahrstuhl ließ lange auf sich warten, und irgendwann beschloss ich, die Treppe zu nehmen. – Wenn ich nicht sofort loslief, würde ich noch alles verpassen! – Schnaufend erreichte ich die Dachterrasse, und mir wurde schlagartig klar, weshalb der Fahrstuhl blockiert gewesen war: hatte ich bislang nur vereinzelt Hotelgäste gesehen, mal im Flur, mal in der Lobby, so schienen sich nun alle einschließlich Personal auf der Terrasse zu versammeln. Sie drückten sich an die Brüstung und schauten wie gebannt in Richtung Westen, wo sich über den Köpfen der vielen Menschen ein rotes Band am blanken Himmel abzeichnete, das für die nächsten paar Minuten ein spektakuläres Schauspiel versprach. Mit einem Blick überflog ich die Anwesenden, und erkannte ein paar Meter weiter, etwas abseits der Menschengruppe, Karina. Ein paar Entschuldigungen murmelnd, drängelte ich mich zwischen den Leuten zu ihr durch und trat dabei versehentlich auf ein paar Füße. „Na, schaust du dir auch den Sonnenuntergang an?“, rief ich, als ich endlich neben ihr stand. Karina hatte mich nicht kommen sehen, aber ich hatte das Gefühl, sie freute sich, mich zu sehen. „Melanie, wie nett. Hattest du noch einen schönen Tag? Wo sind deine Brüder?“
    Karina trug ein schickes, figurbetontes Kleid, das ihrem roten Bikini in keiner Weise nachstand. Offensichtlich war Rot ihre Lieblingsfarbe, denn nicht nur die Riemchenschuhe, in denen ihre schmalen Füße steckten, hatten diesen Farbton, sondern auch der winzige Stein in ihrem Kettenanhänger war darauf abgestimmt. Die Haare hatte sie diesmal glatt zurückgekämmt und im Nacken zu einem schweren Pferdeschwanz zusammengebunden. Der Anhänger war mir deshalb aufgefallen, weil er eine ungewöhnliche Form hatte, die ich nicht näher definieren konnte und mir irgendwie total seltsam vorkam. Vermutlich ein Geschenk , dachte ich, denn ich traute Karina einen besseren Geschmack zu. Dass der dicke Mann vom Swimmingpool unweit von ihr entfernt stand, war mir erst später aufgefallen. Der frühe Abend hatte den roten Dächern von Caracas noch keine Abkühlung gebracht. Die heiße Luft, die sich im Laufe des Tages im Bergkessel gestaut hatte, hing wie eine Glocke über unseren Köpfen, doch wieder trug der dicke Mann ein langärmliges Hemd. Es war einfach völlig unpassend. Ich weiß noch, dass es mir auch merkwürdig vorkam, ihn erneut in Karinas Nähe anzutreffen, doch da sie ihn nicht eines einzigen Blickes würdigte, und dieser sich nicht um sie scherte, verwarf ich den Gedanken, sie würden einander kennen. Wenig später drückte er sich mit einem leisen „Excuse me“ an uns vorbei und zog sich zurück.
    Der Sonnenuntergang war ein Naturwunder – anders kann ich es nicht beschreiben. Nie zuvor hatte ich eine Sonne so groß und rot untergehen sehen wie über den Hügeln von Caracas. Ein riesiger Feuerball, der langsam und majestätisch am Ende der Welt versank, dorthin, wo niemand ihm folgen konnte.
    Kein Wunder, dass die Dächer der Häuser an den Berghängen so rot sind, wenn die Sonne jeden Abend diesen herrlichen Glanz über sie schüttet , dachte ich bei mir. Der Himmel bot ein Feuerwerk an Farben – von satten Gelb-Tönen über Orange und Rot bis schließlich ein violetter Schimmer sich mit dem tiefen Blau des Abends verband und still und leise die Nacht einläutete.
    Nur ein paar Gäste blieben nach dem Spektakel noch auf der Terrasse, um die ersten Sterne zu bestaunen. Karina und ich gehörten zu diesen Leuten.
    „Beeindruckend, nicht wahr?“, sagte Karina mit ihrem einnehmenden Lächeln und zog sich die Schuhe aus. „Wenn ich Zeit habe, komme ich

Weitere Kostenlose Bücher