Der Fluch der Makaá
Gemälde, sondern auch um alle möglichen anderen Gegenstände wie Vasen, Skulpturen… Einmal verrutschte eine Decke und ließ etwas Goldenes darunter hervorblitzen. Alles in allem: Kostbarkeiten von unschätzbarem Wert, irgendwelchen Museen oder Privateigentümern entrissen.
„Jetzt dürfte die Jacht ja kein Problem mehr sein, wenn ihr das alles verhökert!“, rief ich Karina sarkastisch zu, denn ich erinnerte mich noch genau an ihren Traum, mit Carlos auf einer Jacht in der türkisblauen Karibik zu segeln.
Seufzend blieb Karina vor mir stehen und schloss für einen Moment genervt die Augen. „Weißt du, Kind, ich war heilfroh, als mein Auftrag in Caracas erfüllt war und ich mich nicht mehr mit dir abgeben musste. Du warst damals schon so – vorlaut.“ Sie warf schwungvoll ihr braunes Haar über die Schulter und verließ an der Seite von Carlos den Raum. „Müssen wir die echt mitnehmen? Wieso können wir sie hier nicht einfach alle abknallen? Hier in dieser Höhle wird sie niemand so schnell finden…“, hörte ich sie noch ihrem Verlobten zuraunen.
„Ach Kleine“, antwortete Carlos sanft. „Genau das liebe ich an dir! Du bist so süß, wenn du so grausam redest. Aber Bley hat schon recht. Wir brauchen sie noch.“
Dann drehte er sich kurz um. „Du hältst sie in Schach, Bley, verstanden? Und wenn dir einer doof kommt, dann weißt du ja, was du zu tun hast.“
Dann entfernte sich die Gruppe mit ihrer Beute und ließ uns zurück, Bleys Pistolenmündung vor Augen. Die Minuten verloren sich in der endlosen Stille. Bley ließ uns nicht eine Sekunde aus den Augen, doch mied er gleichzeitig den Blickkontakt mit uns. Und so verharrten wir in einem unbequemen Standbild, das jeden Moment zusammenzufallen drohte.
Nach geraumer Zeit erschienen Carlos und seine Gefolgschaft erneut, um weiteres Diebesgut aus dem Versteck zu schaffen. „Wie wäre es, wenn auch unsere Gäste ein wenig mit anpacken würden“, schlug er vor. „Der Mond hat seinen höchsten Punkt schon fast erreicht. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“
Bley winkte uns mit der Pistole, Carlos’ Einladung zu folgen. Als wäre es das Natürlichste auf der Welt, gab Carlos jedem von uns einen Gegenstand. Robert bekam wie meine Eltern ein Gemälde, Oliver ein schmales Kästchen, dessen Inhalt uns verborgen blieb, und mir drückte er einen grauen Karton in die Hand, der erstaunlich leicht war. „Wehe, du lässt ihn fallen!“, zwinkerte Carlos mir hämisch zu.
„Und wo bringt ihr die Sachen hin?“, fragte ich.
„Das werde ich grade dir sagen!“, lachte Carlos. „Los jetzt!“
Im Gänsemarsch folgten wir Karina, Juan, Carlos und dem, den sie Pablo nannten. Bley lief wie ein Wächter hinter uns her.
„Bleibt dicht beisammen, damit ich euch besser sehen kann, habt ihr verstanden?“, schärfte er uns ein, und etwas leiser, sodass es für seine Kumpanen nicht zu hören war, fügte er hinzu: „Euch passiert nichts, vertraut mir!“
„Pft“, zischte ich genauso leise, aber in einem verächtlichen Tonfall zurück. „Ich glaube, damit sind wir durch, Bley!“
Im Schein der Lampen erkannte ich nun auch den Weg, auf dem meine Brüder und ich uns zuvor im Dunkeln vorangetastet hatten. Schon bald kamen wir wieder an Vogelnestern vorbei, und die kleinen Guácharos piepten empört wegen der penetranten Störung ihrer Nachtruhe. Wir verließen einen sehr schmalen Pfad, der über etwas Geröll hinweg führte, um in die Kammer zu gelangen, in welcher der Bach sich seinen gurgelnden Weg bahnte.
Die Felsen standen so dicht aneinander, und der Pfad war so schmal, dass an eine plötzliche Flucht überhaupt nicht zu denken war. Zudem trug jeder von uns einen wertvollen Kunstgegenstand und, wenn schon nicht für mich und meine Brüder, so konnte ich für meine Eltern die Hand ins Feuer legen, dass sie um nichts in der Welt irgendetwas tun würden, was die Kunstwerke in Gefahr brächte. Es war aussichtslos. Wir waren Gefangene der Erben der Makaá. Und wir wussten nicht einmal, was sie mit uns vorhatten. Aber etwas Gutes würde es sicherlich nicht sein. Mit jedem Schritt kam ich der Verzweiflung näher. Nachdem wir meine Eltern endlich lebend und bei guter Verfassung angetroffen hatten, hatte selbst der plötzliche Überfall Bleys mein Vertrauen nicht erschüttern können, dass trotz allem alles ein gutes Ende nehmen würde. Doch nun wich dieses positive Gefühl der immer stärker werdenden Erkenntnis, dass uns nichts und niemand helfen konnte.
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