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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathy Lamb
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1
    Mein Hochzeitskleid habe ich irgendwo in North Dakota in einen Baum gehängt.
    Ich weiß auch nicht, warum ich mich gerade von diesem Baum angezogen fühlte. Vielleicht weil er aussah, als wäre er schon vor Jahren abgestorben und stände nur noch dort, weil er nicht wüsste, was er sonst tun sollte. Ganz allein ragte er in die Landschaft, mit groben, knorrigen Ästen. Sie erinnerten mich an die Fingerknöchel eines bestimmten Menschen.
    Ich machte mir nicht die Mühe, an die Seite zu fahren, denn außer meinem gab es kein Auto auf der verstaubten zweispurigen Straße. So musste die Hölle aussehen: Man kam aus dem Nichts und fuhr ins Nichts. Die einzige Abwechslung: ein toter Baum. Viel Spaß beim Schmoren!
    Das Radio erstarb, die Stille dröhnte in meinem Kopf. Ich öffnete den Kofferraum und war sofort eingehüllt in den weißen Tüll, die Spitze und die Volants meines Hochzeitskleids. Ich hatte es von Anfang an gehasst, aber er war begeistert gewesen.
    Er war begeistert, weil es hochgeschlossen war und züchtigunschuldig aussah. Himmel, wenn ich es anzog, kam ich mir vor wie eine weiße Torte.
    Die Sonne brannte mir auf den Kopf, als ich zum Baum stolperte und durch seine Zweige zum blauen Himmel emporsah, der sich in dreieckigen Ausschnitten über mir wölbte. Das wirre Geäst bildete einen Irrgarten ohne Ausweg. Ein flugunfähiges Insekt hätte hier keine Chance gehabt. Es würde krabbeln und
krabbeln, verzweifelt nach einem Weg vom Baum herunter suchen, aber niemals einen finden. Den letzten gequälten Atemhauch täte es in völliger Verwirrung und Verzweiflung.
    Ja, auch so konnte man sich die Hölle vorstellen.
    Ich versuchte, das Kleid nach oben zu werfen, aber es fiel mir auf den Kopf. Ebenso beim zweiten und dritten Versuch, was mich nur noch wütender machte.
    Ich war sogar zu blöd, mein eigenes Hochzeitskleid loszuwerden.
    Plötzlich bekam ich keine Luft mehr. Mein Herz fing an zu rasen, und es kam mir vor, als sei die Luft aus dem Universum gesogen worden, ein Gefühl, das mir in den letzten sechs Monaten immer vertrauter geworden war. Ich hatte den schleichenden Verdacht, an einer schrecklichen Krankheit zu leiden, aber zu viel Angst, um herauszufinden, was es war. Ich war zu sehr damit beschäftigt, mir einzureden, dass ich nicht selbstmordgefährdet sei. Um so etwas Störendes konnte ich mich nicht kümmern.
    Vor Anstrengung wurden meine Arme schwer, außerdem konnte ich kaum atmen. Meine eiskalten Hände begannen zu zittern.
    Ich bildete mir ein, das Kleid würde mich ersticken, die widerliche Seide verklebte mein Gesicht. Schließlich gab ich mich geschlagen und fiel der Länge nach in den Dreck.
    In vielen Jahren würde hier jemand mit dem Auto anhalten, einen Berg weißen Tülls lupfen und mein Skelett darunter finden. Das heißt, wenn die Geier mich nicht vorher abnagten. Gab es überhaupt Geier in North Dakota?
    Aus Angst vor Geiern, nicht vor dem Tod, drehte ich mich schließlich auf die Seite. Ich trat das Kleid von mir und schrie es an, benutzte alle mir bekannten Schimpfwörter. Jetzt ist es so weit, dachte ich, am ganzen Körper zitternd: Ich verliere den Verstand.
    Kleine Korrektur: Ich habe ihn längst verloren.
    Mir floss der Schweiß in Strömen, als ich versuchte, das Kleid in Grund und Boden zu stampfen, vielleicht um es zu bestrafen, weil es sich nicht in den Ästen verfangen wollte. Oder weil es überhaupt existierte. Schließlich hängte ich es mir wie eine Schlinge um den Hals und kletterte den toten Baum hinauf. Schweiß lief mir in die Augen.
    Die Rinde krümelte und riss ab, aber es gelang mir, einen knappen Meter hochzukraxeln. Dann gab ich dem weißen Monstrum einen letzten Schubs, und es blieb an einem Ast hängen, der wie der gekrümmte Finger einer Hexe aussah. Das schwere Oberteil rutschte ein wenig, bis die lange Schleppe, jetzt verziert mit dem berühmten Staub North Dakotas, sich wie eine Schlange hinunter zum ausgetrockneten Erdboden wand.
    Ich versuchte, zu Atem zu kommen. Mein Herz hämmerte mit Hochgeschwindigkeit in meiner Brust, heiße Tränen liefen mir über die Wangen, zogen helle Spuren durch den Staub.
    Ich hatte noch die Schneiderin im Ohr:
    »Warum soll das Kleid bloß so hochgeschlossen sein?«, hatte sie mit scharfer Stimme gefragt. »So ein Dekolleté, meine Liebe, das muss man zeigen, nicht verstecken!«
    In ihrem schicken Atelier hatte ich meinen großen Busen betrachtet. Überall waren Spiegel. Meine Brüste wogten unter der weißen Seide, als

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