Der Fluch der Makaá
forschem Blick. Sein Lächeln wurde noch breiter, als er in unsere verblüfften Gesichter schaute. „Woher weißt…?“
„Nichts für ungut“, fuhr Carlos fort. „Ganz Venezuela spricht von nichts anderem mehr.“ Er fischte mit der rechten Hand aus der Innenseite seiner Westentasche einen zusammengefalteten Zeitungsausschnitt heraus. Aus der spanischen Schlagzeile sprangen die Worte Odalisque und Matisse direkt ins Auge.
„Hier“, sagte Carlos und reichte den Ausschnitt nach hinten. Meine Mutter nahm ihn und überflog ihn rasch ohne ein Wort zu verstehen.
„Und woher weißt du, dass wir mit der Sache zu tun haben?“, fragte mein Vater etwas irritiert.
„Nun“, lachte Carlos, „man muss kein Genie sein, um eins und eins zusammenzuzählen. Eliza, die Frau mit der ihr gestern telefoniert habt, hatte euren Namen mehrfach erwähnt, und da ich zuvor die Zeitung gelesen hatte, kam mir der Name Feldmann bekannt vor. Wie Eliza euch mitgeteilt hat, hätte ich heute eigentlich meinen freien Tag, aber wann hat man schon mal die Gelegenheit, prominente Gäste herumzufliegen?“
„Also, prominent halte ich für übertrieben!“, wehrte mein Vater ab. „Aber dass du extra deinen freien Tag für uns geopfert hast, das ist schon klasse. Vielen Dank dafür!“ Carlos winkte ab. „Ich liebe die Kunst“, erklärte er. „Matisse gehört zu meinen Lieblingsmalern. Er hat so viel Aussagekraft, seine Bilder sprühen vor Leben und seine Farben leuchten als würde in ihnen die Sonne strahlen.“
„Es ist immer schön, Gleichgesinnte zu treffen“, freute sich meine Mutter und war ganz entzückt, in Carlos einen Matisse-Liebhaber gefunden zu haben.
„Oh ja, das ist wahr. Ich sage immer, wer Augen für das Schöne hat, der hat auch Augen für die Kunst.“
„Das unterschreibe ich gerne!“, lachte mein Vater.
Oliver, Robert und ich nahmen an der Unterhaltung nicht teil. Wir waren zu sehr damit beschäftigt, unsere Nasen gegen die Scheiben zu pressen und die fantastische Aussicht zu bestaunen.
„Also, Konrad, gibt es bereits Hinweise auf den Räuber?“, fragte Carlos, nachdem die Erwachsenen eine Weile über dies und das aus der Kunstgeschichte und dem Leben eines Kunstexperten oder -genießers gesprochen hatten. Mein Vater wiegte den Kopf abschätzend hin und her. „Ich stehe ziemlich allein mit meiner Vermutung da. Aber du hast recht, das Symbol, auf das ich gestoßen bin – falls es tatsächlich eines ist – halte ich für einen entscheidenden Hinweis auf den oder die Täter.“
„ Die Täter?“, hakte Carlos nach. Mein Vater nickte heftig. „Ja, es müssen mehrere gewesen sein. Allein kann man einen Kunstraub dieses Ausmaßes nicht durchführen. Ich halte die Bande für äußerst gerissen und traue ihnen Verbindungen zu, die bis in das Museum reichen könnten.“
„Ein Komplize vor Ort also?“
„Wohlgemerkt, das sind alles nur meine eigenen Vermutungen“, bekräftigte mein Vater noch einmal. „Ich möchte niemandem etwas unterstellen, und gehe davon aus, dass dieses Gespräch unter uns bleibt.“
„Selbstverständlich, darauf gebe ich euch mein Wort!“, rief Carlos sogleich, und er meinte es ernst. „Nur eines wundert mich: du hast gesagt, es müssen schlaue Burschen gewesen sein. Wieso fällt dein Verdacht dann auf die Indianer? Gut, viele haben mittlerweile eine Schulbildung, aber unter uns: zwischen unseren Kulturkreisen liegen noch immer Welten, so leid es mir auch tut, dies sagen zu müssen.“
„Oh nein“, wehrte mein Vater heftig ab. „Ich beschuldige nicht die Indianer. Im Moment beschuldige ich niemanden. Aber wie gesagt, da ist dieses wahrscheinlich indianische Symbol, das in engem Zusammenhang mit der ganzen Sache steht, und irgendwie scheint es mir der Schlüssel zur Lösung zu sein.“
„Und du wirst nicht eher ruhen, bis du den Schlüssel gefunden hast?“, hakte der Pilot vorsichtig nach.
„Wahrscheinlich nicht“, gab mein Vater zu.
„So ist das also… Wie auch immer“, schloss Carlos kopfschüttelnd, „jedenfalls hoffe ich, dass der Matisse bald wieder in Sicherheit ist.“ Mit einem geheimnisvollen Blick wandte er sich Robert zu und meinte: „Wenn du wieder etwas malen möchtest, gleich kommt ein wirklich tolles Motiv für dich!“
Unter uns wölbte sich der breite Rücken des Hochplateaus Auyán Tepuy, besser bekannt als der Berg der Hölle .
„Die indianischen Ureinwohner haben ihm diesen Namen gegeben“, erklärte Carlos mit glitzernden Augen. „Sie
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