Der Fluch der Makaá
Venezuela hängen geblieben war und sein Hobby, das Fliegen, zum Beruf gemacht hatte.
Der Händedruck des Piloten war kräftig und ehrlich, und da er uns allen sofort sympathisch war, machte es auch nichts, dass er uns alle, insbesondere meine Eltern, von Anfang an duzte wie gute Freunde. „Da hast du aber schönes Wetter bestellt, Mädchen“, zwinkerte er mir zu. „Das Beste!“, rief ich und grinste von einem Ohr bis zum anderen. In der Tat hätte der Tag nicht schöner sein können. In nahtlosem, klarem Blau wölbte sich der Himmel über die Erde und es war eine Freude daran zu denken, gleich in die Lüfte aufzusteigen und Teil des Himmels zu werden. Die Sonne war blutrot aufgegangen und tauchte die Rollbahnen nun in üppiges gelbes Licht.
„Das Flugzeug steht dort hinten. Folgt mir. Geht’s euch allen gut?“ Mit seiner lockeren Redensweise nahm Carlos uns alle für sich ein, und ehe wir uns versahen, saßen wir auch schon in der einmotorigen Cessna. In das Kleinflugzeug passten genau sechs Personen. Robert durfte neben Carlos auf dem Co-Pilotensitz Platz nehmen, während der Rest unserer Familie sich im hinteren Teil der Maschine niederließ. „Wieso darf ich nicht vorne sitzen?“, maulte Oliver und zog einen Schmollmund. Carlos, der bereits einige Knöpfe bediente, um die Cessna startklar zu machen, drehte sich mit einem breiten Grinsen um: „Auf dem Rückflug bist du dran, Partner, versprochen!“
„Ist gut, Partner“, antwortete Oliver und war wieder versöhnt. Carlos lachte laut auf. Er drückte sich die Kopfhörer mit der eingebauten Sprechanlage auf die Ohren um Kontakt zum Tower aufzunehmen und sprach ein paar spanische Wörter. Wir hörten ein Rauschen, dann ein Klacken und eine kurze, unverständliche Antwort. Carlos schien zufrieden. „Wir haben Starterlaubnis. Seid ihr alle angeschnallt?“
Der Motor heulte auf, und die Cessna machten einen Satz nach vorne. Wenig später hoben wir ab, und ich spürte die wohlbekannte Schwere, die einen beim Start in den Sitz drückt. Während wir an Höhe gewannen, flogen wir eine Weile in östlicher Richtung an der Küste entlang, das Meer, auf dem Millionen von Sonnensternen tanzten, stets zur Linken. Zur Rechten lag Cumana, und die roten und weißen Dächer blitzten in der Sonne wie Juwelen.
„Ist es nicht herrlich, Kinder?“, rief meine Mutter und lehnte sich zufrieden seufzend zurück. „Herrlich, Mama? Herrlich reicht nicht! Dafür gibt es gar keinen Ausdruck!“, rief ich begeistert und konnte mich gar nicht sattsehen an den üppigen Farben, die die Welt mit breitem Pinselstrich an diesem Ort auftrug. „Wenn euch das schon gefällt, dann wartet ab, bis ihr das Landesinnere gesehen habt!“, brüllte Carlos über den Motorenlärm hinweg. Das Flugzeug neigte sich zur Seite und wir nahmen Kurs in südliche Richtung. Das Meer verschwand aus unserem Blickfeld und unter uns wurde es dunkelgrün.
„Wir sind nun etwa auf der Höhe von Caripe“, erklärte Carlos. „Unter uns ist reiner Regenwald, so ursprünglich wie zu Zeiten von Adam und Eva. Dies wird sich aber gleich ändern.“
Und tatsächlich verwandelte sich das undurchdringliche, dunkelgrüne Meer bald in eine geordnete, kultivierte Landschaft. In Caripe baut man Obst und Gemüse an. Selbst Kaffeeplantagen findet man hier, und Carlos bezeichnete es stolz als den Jardín de Oriente , den Garten des Orients.
Vor unseren Augen verwandelten sich die Gärten langsam zurück in wildes Gebiet, das kurz darauf von unzähligen blauen Adern durchzogen wurde, die sich in alle Richtungen verzweigten. „Das muss das Orinoco-Delta sein“, schloss mein Vater. Carlos bestätigte dies. „Seid nur froh, dass ihr es von hier oben aus sehen könnt. Unten wärt ihr schon längst zerstochen worden. Die Mücken sind um diese Jahreszeit besonders schlimm. Der Orinoco steht hoch und die Ebenen sind überflutet. Selbst die trockensten Gebiete werden nun zu höllischen Sumpflandschaften – und damit zum Hoheitsgebiet der Moskitos.“
„Uh“, machte Robert und an seinem Gesichtsausdruck sah ich, dass er in der Tat sehr zufrieden war, den Orinoco aus sicherer Entfernung zu genießen. Er zog seinen Skizzenblock aus dem kleinen Rucksack hervor, und begann glücklich drauf loszuzeichnen. So viele Motive boten sich ihm, dass er gar nicht wusste, womit er zuerst anfangen sollte.
„Gibt es in dieser Gegend Indianer?“, fragte mein Vater unseren Piloten.
„Natürlich“, antwortete Carlos. „Seit
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