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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Reihe von Insekten angezogen hatte.
    „Am besten wir schlafen jetzt eine Runde. Gute Nacht!“
    Robert nahm meinen Vorschlag sofort an, und bald darauf hörte ich ihn leise schnarchen. Ich rollte mich auf dem Boden zusammen und versuchte, mit wenig Erfolg, nicht an die Krabbeltiere zu denken, die es hier überall gab. Immer wieder schloss ich die Augen, um sie sogleich wieder aufzureißen. Ständig raschelte es irgendwo im Geäst. Manchmal beunruhigend nah vor unserer Höhle. Stopp! Was war das? Ein Vogel? Eine Schlange? Gibt es in Venezuela eigentlich Tiger? Ich rutschte ein wenig dichter zu meinen Brüdern und verbarg den Kopf in meinen Armen. Wie waren wir nur in diese Situation geraten? Es war mir unbegreiflich. Noch vor ein paar Wochen hatte ich mich auf einen wunderbaren Urlaub in Griechenland gefreut. Jetzt kämpfte ich mich mit meinen Brüdern durch den dichtesten Dschungel Venezuelas. Von meinen Eltern fehlte jede Spur und alles, was wir hatten, war bloß dieses Zeichen – dieses seltsame Zeichen… Es musste ein Traum sein. Ja, ganz genau, ein Traum…

Tag 2 nach dem Absturz

    D ass es kein Traum war, erfuhr ich am nächsten Morgen auf eine äußerst unangenehme Weise: Ich war noch tief versunken im Lala-Land, wollte gerade genüsslich eine Limo an der Poolbar ausschlürfen, als ich ein leichtes Kribbeln an meinem rechten Bein spürte. Es war so schwach, dass ich es vermutlich gar nicht wahrgenommen hätte, geschweige davon aufgewacht wäre. Ich vermute, es war das innere Warnsystem, das in jedem von uns wie ein kleines Licht im Dunkeln wacht, selbst wenn wir schlafen, das in diesem Moment Alarm schlug: Etwas war in mein Hosenbein gekrochen. Mit einem Mordsschrei, bei dem selbst die Brüllaffen vor Schreck verstummten, weckte ich nicht nur meine Brüder, sondern auch gleich den halben Urwald. Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und vollführte einen wahrhaft wilden Tanz, der gleichermaßen Heiterkeit – von Seiten meiner Brüder – und Aufsehen – von Seiten erschrockener Vögel – hervorrief. Ich schüttelte meine Beine, sprang im Karree und vollführte Verrenkungen, von denen ich selber nicht wusste, dass ich zu ihnen fähig war. Obwohl das Gefühl vom Bein her kam, kribbelte es plötzlich überall, und selbst als schließlich etwas mit einem kleinen Plumps aus meinem Hosenbein fiel und sich blitzschnell im Dickicht verkroch, benötigte ich eine ganze Weile um mich wieder zu beruhigen. Es ging alles so rasch, dass ich gar nicht genau erkennen konnte, was mich besucht hatte, doch vielleicht war das auch besser so. Wahrscheinlich hätte ich sonst nie wieder ein Auge in diesem Dschungel zumachen können – und das wären lange Nächte geworden…
    „Ist jetzt endlich alles gut?“, rief ich ein paar Minuten später meinen Brüdern schnippisch zu. „Noch nicht ganz!“ Robert und Oliver kugelten sich vor Lachen und konnten es einfach nicht lassen, meine gewagten Sprünge in maßlos übertriebener Ausführung nachzuahmen. Typisch! Zu Hause kriegen sie morgens die Augen nicht auf, aber kaum ist man im Urwald sind sie putzmunter.
    Es war mir durchaus klar, dass meine Brüder diesen Tag nie vergessen und mich bis zu meinem Lebensende damit aufziehen würden. Und das zu Recht – wie die gnadenlos ehrliche Stimme in meinem Innersten mir mitteilte. Es musste wirklich zu komisch ausgesehen haben. Vielleicht hätte ich auch ein bisschen darüber gelacht, wenn ich nicht aus den Augenwinkeln gesehen hätte, dass das Viech, das aus meinem Hosenbein gesprungen war, unglaublich viele Beine gehabt hatte und zwar viel mehr als einem lieb sein konnte.
    Was blieb mir also anderes übrig, als meinen Brüdern ihren Spaß zu lassen und abzuwarten. Irgendwann würden sie sich ausgetobt haben. Unterdessen konnte ich ja schon mal frühstücken. Mit einem Bärenhunger öffnete ich die angebrochene Tüte Kräcker vom Vorabend und schleuderte sie nach einem kurzen Blick ins Innere angewidert weg.
    „Igitt!“, rief ich entsetzt. „Jetzt seht euch mal das an!“
    Robert und Oliver waren sogleich zur Stelle. Auch wenn es keine gewollte Ablenkung war: sie hatte offensichtlich gut funktioniert – mein unfreiwilliger Tanz war sofort vergessen.
    „Tja, das wird uns eine Lehre sein: nichts offen stehen zu lassen!“, meinte Robert trocken, während er die Tüte mit zwei Fingern packte, sie vor unseren Unterschlupf trug und den Inhalt auf den Boden kippte. Für einen Moment stoben die überdimensional großen Ameisen

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