Der Fluch der Makaá
wissen nicht einmal für was.“
„Worauf willst du hinaus?“, fragte Robert mit ernstem Blick.
Ich seufzte. „Ich bin mir noch nicht sicher“, log ich, doch Robert ließ sich nicht so einfach abschütteln. „Das stimmt nicht, Melanie. Ich kann genau sehen, dass du etwas im Kopf ausgebrütet hast. Nun sag schon und spann uns nicht auf die Folter.“
„Also gut“, gab ich mich geschlagen. „Es ist so: ich bin der Meinung, dass wir es selbst in die Hand nehmen müssen, wenn wir unsere Eltern wieder sehen wollen. Aber bevor ihr jetzt gleich einen Aufstand macht“, wehrte ich die Proteste meiner Brüder ab, die ich in ihren Augen aufwallen sehen konnte, „ich habe selber keine Ahnung wie wir das anstellen sollen. Und dass es eine blöde Idee ist, das weiß ich auch: wir haben keinerlei Anhaltspunkte, und auch nicht die Möglichkeit, etwas zu unternehmen. Dennoch, so sieht es meiner Meinung nach aus. Und jetzt könnt ihr von mir aus etwas dazu sagen.“
Seltsamerweise hielten sich meine Brüder mit Kommentaren zurück. Oliver kaute schweigend auf einem neuen Kräcker herum, und Robert blies abwechselnd seine Backen auf, um die Luft stoßweise wieder entweichen zu lassen.
„Vielleicht ist es gar keine blöde Idee, Mel“, sagte er schließlich und schnipste sich eine kleine Raupe von der Hose.
„Ehrlich nicht?“ Verwundert blickte ich zu ihm hinüber. Es war mittlerweile so dunkel, dass ich nur noch seine Umrisse erkennen konnte. Wir hatten zwar eine Taschenlampe, aber beschlossen, sie nur dann zu benutzen, wenn wir sie auch wirklich brauchten.
„Nicht, wenn man überlegt, dass wir sehr wohl einen Ansatzpunkt haben“, fuhr Robert fort.
„Ja, ich weiß, worauf du hinaus willst“, unterbrach ich meinen Bruder vorschnell. „Wir wissen, dass Carlos hinter der ganzen Sache steckt. Doch der Name allein wird uns nichts nützen. Und selbst wenn wir bei Adventure-Airlines anrufen, wer garantiert uns, dass Carlos keinen Komplizen dort hat? Ein Mann allein kann unsere Eltern kaum aus dem Flugzeug getragen haben. Und wir können überhaupt nicht sicher sein, dass Carlos dabei gewesen ist. Vielleicht waren es ganz andere Personen und Carlos denkt, wir wären bereits tot!“
„Stopp! Stopp! Stopp!“, rief Robert schmunzelnd. „Das meinte ich doch überhaupt nicht. Aber wenn du es schon einmal ansprichst… ich glaube sehr wohl, dass Carlos etwas mit dem Verschwinden unserer Eltern zu tun hat: schließlich hatte er den Schlüssel für das Fach, in das er das Funkgerät gelegt hatte, und außerdem halte ich es doch für äußerst unwahrscheinlich, dass wir Feldmänner mit der Museumsarbeit für so viel Aufsehen in ganz Venezuela gesorgt haben, dass uns jeder gleich nach dem Leben trachten möchte.“
„Es reicht, wenn es einer tut, oder?“, fuhr Oliver altklug dazwischen.
„Dieser Eine hatte aber Gott sei Dank keinen Erfolg“, gab ich zu bedenken, doch etwas machte mich plötzlich stutzig. „Wenn Carlos uns tatsächlich umbringen wollte – wieso hat er uns dann nicht alle erledigt, als wir bewusstlos waren?“ Darauf wusste keiner von uns eine Antwort. Wieder schwiegen wir vor uns hin, während eine wohltuende Schläfrigkeit bei uns aufkam. Olivers Kopf sackte auf seine Brust, und obwohl er sich ein paar Mal dagegen wehrte, schlief er schließlich tief und fest, zusammengerollt auf dem Boden, ein. Ich holte die Lebensmittel aus der Decke, verstaute diese in Roberts Rucksack und deckte Oliver zu. Zwar war die Nacht nicht sonderlich kalt, erst der frühe Morgen würde die Temperaturen stürzen lassen, doch er sollte auf keinen Fall frieren. Auch mir wurden langsam die Augenlider schwer, und beinahe wäre ich eingeschlafen, als mich ein Gedanke wieder hochschrecken ließ. Unsere Unterhaltung war vorhin irgendwie in eine andere Richtung gelenkt worden, so wie es häufig bei Gesprächen passiert. Nun, im blauen Übergang von Wirklichkeit zur Traumwelt, fiel es mir auf einmal wieder ein: „Was hattest du eigentlich vorher gemeint?“, fragte ich Robert im Flüsterton, um Oli nicht zu wecken.
„Wie bitte?“, murmelte mein Bruder und blinzelte schläfrig.
„Na, du hast doch gesagt, wir hätten sehr wohl einen Ansatzpunkt, um nach unseren Eltern zu suchen. Welchen?“
„Ach das“, erinnerte er sich und fuhr sich einmal rasch über die Augen, um den Schlaf davon zu scheuchen. „Nun ja, wir wissen jetzt durch Carlos’ Tätowierung immerhin, wie das Symbol aussieht, nach dem unser Vater gesucht hat.
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