Der Fluch der Totenleserin totenleserin4
Henrys und es schon immer gewesen.
Mansur gegenüber war sie weit freundlicher: »Mylord, ich habe den Arzt meiner Tochter gebeten, Ihren Rat einzuholen. Seit ich mit meinem ehemaligen Mann einen Kreuzzug unternommen habe, hege ich große Achtung für die arabische Medizin.«
Bei ihrem ehemaligen Mann handelte es sich um den König von Frankreich. Eleonor, die Herzogin von Aquitanien, heiratete nicht jeden. Nach außen hin war die Ehe aufgelöst worden, weil sie Ludwig zwei Töchter und keinen Erben geschenkt hatte, ganz für sich jedoch dachte Adelia, dass diese Frau den frommen, unentschlossenen französischen Monarchen schlicht überfordert hatte.
Die Königin wartete, bis ihre Worte übersetzt waren und Mansur sich verbeugt hatte, dann wandte sie sich mit Wärme in der Stimme an Adelia: »Ich erinnere mich sehr gut an sie, aus unserer Zeit in Oxfordshire, Mistress Amelia.« Adelia seufzte. Diese Frau konnte sich ihren Namen einfach nicht merken, aber Eleonor fuhr unbekümmert fort. »Haben wir nicht gemeinsam Dämonen überwunden? Es ist mir eine große Beruhigung, dass sie meine Tochter auf ihrer Reise begleitet. Und das dort wird mein kleines Mündel sein, während sie unterwegs ist, richtig?«
Allie war sorgfältig vorbereitet worden, benahm sich gut und machte einen Knicks, so wie sie es sollte, wenn sich ihre Mutter sie auch weniger nass und schmutzig gewünscht hätte
Sorgfältig darauf bedacht, sie nicht zu berühren, lächelte Eleonor das Kind an, bevor sie sich erneut dem König zuwandte. »Henry, unser Bekleidungsbudget wird angehoben werden müssen.«
Die Königin sah besser aus als beim letzten Mal, da Adelia sie gesehen hatte: Damals hatte Eleonor als Junge verkleidet versucht, den Soldaten des Königs zu entkommen. Der männliche Aufzug hatte ihre einundfünfzig Jahre gegenüber Henrys vierzig deutlich hervorgehoben. Und dennoch, trotz ihres Alters und obwohl sie insgesamt zehn Kinder geboren hatte, wirkte sie elegant, schlank und selbstsicher. Man hörte keinerlei Beschwerde, dass sie, die doch mit zwei Königen vermählt gewesen war, das große Herzogtum Aquitanien regiert und mit einem Gefolge von Amazonen ins Heilige Land gezogen war, hier für den Rest ihres Lebens eingesperrt bleiben sollte. Sie hätte ihre Gäste genauso gut in einem ihrer eigenen Paläste empfangen können.
Adelia kannte sie als impulsive, launische Frau, deren geistige Kraft nicht an die ihrer beiden Ehemänner heranreichte. Aber welchen Stolz und welchen Gleichmut trug sie zur Schau!
Der gekühlte Wein, der in die Räume im zweiten Stock des Bergfrieds gebracht wurde, war ausgezeichnet, genau wie die kleine Kekse, die sie dazu gereicht bekamen. In der Ecke saß ein Harfenspieler und sang ein Liebeslied.
Es war ein schönes Zimmer. Eleonor hatte es mit persischen Teppichen, Kissen und flämischen Tapisserien farblich aufgefrischt, dennoch mussten Kerzen den Schatten der Mauern vertreiben, hinter denen die Sonne verborgen blieb.
Ein schöner Käfig für einen exotischen Vogel, dachte Adelia, aber doch ein Käfig.
Ihr Herz blutete bei dem Gedanken, dass ihr Kind ebenfalls hier eingeschlossen werden sollte, und auch Gyltha tat ihr leid, die den Großteil ihres Lebens als Aalverkäuferin unter den weiten, unverstellten Horizonten Cambridgeshires verbracht hatte. Tatsächlich hatte sich Adelia versucht gefühlt, mit den beiden davonzulaufen, aber Gyltha hatte gemeint: »Die Kleine ist zu jung, um im Ausland rumzuziehen,
Bor,
und ich bin zu alt dazu. Da wird die Königin wohl mit uns Zwei'n auskommen müssen.«
Das war Adelia ein riesiger Trost gewesen, und sie hatte Gyltha geküsst. »Sie kann froh sein, dass ihr zu ihr kommt.«
Und wie sich herausstellte, war Eleonors Dienerschaft so stark reduziert worden, dass die Königin nur zu glücklich darüber war, Allies Kindermädchen als Zuwachs zu bekommen.
Die beiden Mädchen, die nun ihren Lebensort ändern sollten, hätten unterschiedlicher kaum sein können. Prinzessin Joanna war wie eine kleinere Ausgabe von Eleonor, was ihre Kleidung und ihr Aussehen betraf, jedoch ohne die übersprudelnde Energie ihrer Eltern. Ihr zartes Gesicht zeigte kaum eine Regung, und sie hielt sich nahe bei einer schweren, gemütlich aussehenden Frau in einfachen Reisekleidern, vermutlich ihrer Kinderfrau.
Unterschiedlich war auch, wie sich die beiden verabschiedeten. Königin und Prinzessin küssten sich, ohne ein Gefühl zu zeigen. Eleonor segnete ihre Tochter. »Möge deine Ehe eine
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