Der Fluch des Florentiners
in sich hat. › Als Franz Stephan von Lothringen … das Großherzogtum Toskana im Jahre 1736 als Ersatz erhielt, kam der Florentiner in den Besitz des neuen Großherzogs, wodurch sich der Stein als typisches Staatseigentum charakterisierte … woselbst er … eine … von uns nicht näher zu untersuchende Transmutation in ein habsburgisches Privatschmuckstück erfuhr! ‹ Du siehst also, meine liebe Chrissie, dieses Buch wimmelt vor versteckten Andeutungen darauf, dass der Exkaiser letztendlich geklaut hat! Und ein wenig schwingt auch die Vermutung mit, dass die im Exil lebende kaiserliche Familie nicht unerhebliche Wertgegenstände und Gelder irgendwo heimlich in Tresoren versteckt hat, weil sie fürchten musste, dass ihr ganzes Vermögen konfisziert werden würde. Du kannst dir ja vorstellen, welche Empörung eine solche Behauptung im immer noch k.u.k. verliebten Österreich ausgelöst hätte, wenn sie an die breite Öffentlichkeit gelangt wäre. Am Ruf des letzten österreichischen Kaisers darfst du nicht rütteln, erst recht nicht, seit ihn der Papst seliggesprochen hat. Der andere Punkt ist der, dass Sondheimer sehr akribisch Buch darüber geführt hat, wohin er einzelne Schmuckstücke der Kronjuwelen aus der Wiene r S chatzkammer verkaufte beziehungsweise verschleuderte. Er hat minuziös und detailliert aufgeschrieben, wie er Schmuckstücke bis zur Unkenntlichkeit zerstört, Edelsteine brachial aus ihren Fassungen herausgebrochen hat, damit keiner herausfinden konnte, welchem Kaiser- oder Fürstenhaus die Schmuckstücke gehörten. Den bankrotten Monarchen war wohl peinlich, dass sie plötzlich wie das gemeine Volk mit Pfandleihern zu tun hatten. «
Marie-Claire legte das Manuskript zur Seite, rutschte vom Bett, zog aus einem Stapel von Unterlagen ein Buch heraus, ging zum Kamin, streckte Wärme suchend ihren Rücken dem Feuer entgegen und blätterte in dem Buch.
» Hier, in diesem Standardwerk über Juwelen und Preziosen steht genau beschrieben, welche Schmuckstücke Graf Berchtold, seines Zeichens der Oberstkämmerer der Wiener Schatzkammer, auf Befehl des Kaisers am 1. November 1918 aus den Vitrinen XII und XIII entnahm. Den Großteil davon hat der Schmuc k händler Alphonse de Sondheimer, wie bereits gesagt, in der Schweiz verscherbelt. Irrsinnige Werte waren das! In Zahlen kann man das kaum benennen. Jedes einzelne dieser aufgefüh r ten Schmuckstücke war damals weltbekannt, letztendlich unveräußerlich – und jedes für sich Millionen wert! Alles weg, verhökert! Das müssen schon verrückte Zeiten gewesen sein, damals, im Jahre 1919 bis 1921, hier in der Schweiz. Die Zentralmächte waren zusammengebrochen – und mit ihnen die Landeswährungen. Geld war nur mehr das Papier wert, auf dem es einst gedruckt wurde! Der Schweizer Franken war die Währung überhaupt. Jeder wollte Franken haben. Die aber hast du nur bekommen, wenn du Wertgegenstände und Immobilien hattest. In Bern, Zürich und Luzern ging es damals wohl sehr hoch her. Alle Staate n h atten ihre Vertreter dort. Die Hochari s tokratie Europas scharte sich um die Schweizer Banken herum. Der griechische König lebte in Luzern, ebenso wie der Mahar a dscha von Kapurtala. In Lugano residierten Prinz Nikolaus und die anderen Griechen, in Montreux Prinzessin Palays, die ehemalige Großfürstin von Russland. Im Hotel Dolder in Zürich hielt sich die Großfürstin Anastasia auf. Und Kaiser Karl von Österreich wohnte mit seinem unglaublichen Hofstaat in der Villa Pragins zwischen Lausanne und Genf. Ich sage dir, Chrissie, damals sind in der Schweiz eine ganze Menge Leute sehr reich geworden an der neuen Armut der Fürsten und Könige. Denen blieb nämlich nichts anderes übrig, als ihre Schätze in Franken umzuwandeln. Alle berühmten Schmuc k händler-Dynastien und Bankiers hatten damals ihre Repräsentanten in der Schweiz. Wo Aas ist, sind auch Geier! Tiffany, Rosenheim, Cartier – alle waren sie hier und haben den geflohenen Kaisern, Königen und Fürsten ihre Dienste angeb o ten. Und die haben verscherbelt, was sie hatten beiseite schaffen können. Oder sie haben alle Wertgegenstände bei Banken oder Juwelierhändlern gegen einen Apfel und ein Ei verpfändet, was meistens eine fatale Angelegenheit war. Denn zurückzahlen konnten die meisten ihre Kredite nicht mehr. Mit wahnwitzigen Summen wurde da jongliert! Nicht mit ein paar Millionen! Mit Milliarden! Diamanten, Brillanten, Königskronen und weiß der Teufel welche Kunstschätze noch
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