Der Fluch des Florentiners
dass morgen Abend im Club, in den dazu gehörenden Wohnanlagen sowie im Hotel Palmeraie eine routinemäßige Notfallübung der Feuerwehr von Marrakesch stattfinden würde, in dessen Rahmen es zu Lärm- und Rauchbelästigung kommen könne. Auch am Parkplatz stand das auf einem großen Plakat geschrieben, verbunden mit dem Hinweis, dass die Zufahrtswege zwischen achtzehn und zweiundzwanzig Uhr gesperrt seien. Es ärgerte ihn ein wenig. Er verstand nicht, warum das so spät mitgeteilt wurde. Wie auch immer: Genau zu dieser Zeit würde Marie-Claire de Vries morgen Abend ankommen. Und Francis Roundell. Das würde eine große Überraschung werden. Roundell wusste weder, dass Marie-Claire auf dem Weg nach Marrakesch war, noch dass Abdel Cathrine de Vries als Geisel genommen hatte. Marie-Claire wiederum ahnte nicht, dass Roundell hier sein würde. Und beide wussten sie nicht, dass er, Abdel Rahman, jetzt ebenfalls über den Schatz in der Statue Bescheid wusste.
Würde Marie-Claire so handeln, wie ihre Schwester das glaubte und wie er das erwartete? Oder hatte sie so etwas wie Stolz und Ehrgefühl? Hasste sie Cathrine jetzt? Schließlich hatte sie mit dem Telefonat erkannt, dass ihre eigene Schwester sie betrogen hatte. Würde sie jetzt noch die Unterlagen bringen, um ihre Schwester zu retten?
Eine andere Frage, die er sich seit gestern stellte, war, wieso Roundell sich nicht selbst diese Unterlagen aus dem Christie ’ s-Archiv besorgte. Er saß doch als Sicherheitschef von Christie ’ s an der Quelle. Wieso musste Roundell warten, bis Marie-Claire diese Dossiers hatte? Das war etwas, das Abdel Rahman nicht begriff. Doch das würde sich sicherlich mit de m K ommen von Francis Roundell klären. Seine Gedanken wanderten zurück zu Marie-Claire. Es machte ihn nervös, dass er nicht genau abschätzen konnte, wie sie nun handeln würde. Was hatte sie ins Telefon geschrien? » Ich bringe dich um! «
*
Francis Roundell war die Fliegerei absolut leid. Erst letzte Nacht war er aus Indien zurückgekehrt. Der Zeitunterschied und der extreme Klimaumschwung steckten ihm noch in den Knochen, zumal er nur zwei Tage Zeit gehabt hatte für die Dinge, die er in Jaipur hatte erledigen müssen. Dafür aber war dort alles perfekt gelaufen. Der Zugang zu der Statue war jetzt endgültig gewährleistet. Der Inder, den er nicht sonderlich mochte, hatte sich mit den Verfahrensweisen und vor allem mit den finanziellen Abmachungen einverstanden erklärt. Alles war jetzt nur noch eine Frage der Zeit. Die beiden Sancys hatte er schon. Den Florentiner würde er ebenfalls bald besitzen.
Auch wenn er mit allem zufrieden sein konnte, war er müde und abgespannt. Eigentlich hatte er ab morgen zwei Tage Urlaub. Daher stand ihm absolut nicht der Sinn danach, jetzt nach Marokko zu fliegen, zumal er es nicht für besonders klug hielt, derzeit mit Abdel Rahman zusammenzutreffen. Es gab zwar keine wirklich konkreten Hinweise darauf, dass die internationalen Ermittlungsbehörden aktiv waren, aber genau das beunruhigte ihn. Es konnte der Eindruck entstehen, als seien die spektakulären Raubüberfälle in Bayern und Florenz vergessen. Das war jedoch mit Sicherheit nicht der Fall. Francis Roundell kannte seinen ehemaligen Kollegen Bernhard Kleimann gut genug. Seit fast einer Woche versuchte e r i hn zu erreichen. Nach ihrem Zusammentreffen in Lyon hatten sie kaum miteinander gesprochen. Das musste nicht unbedingt etwas bedeuten, es konnte aber auch ein Indiz dafür sein, dass die Operation Mraksch in der heißen Phase war. Und Kleimann gehörte zu dieser Sonderermittlungsgruppe. Nein, jetzt nach Marrakesch zu fliegen war wirklich nicht klug. Zumal er weitaus Wichtigeres zu tun hatte. Auch mit Marie-Claire de Vries hatte er schon viel zu lange nicht mehr telefoniert. Sie war in die Schweiz geflogen und hatte sich von dort nur kurz gemeldet. Was sie genau dort machte, wusste er nicht. Sie schwieg sich über ihre Aktivitäten aus. Ihr Bericht war längst überfällig. Francis hatte das Gefühl, als lasse sich Marie-Claire absichtlich Zeit mit dem Schreiben des Berichts. Im Zentralarchiv von Christie ’ s war sie noch nicht gewesen, das hatte er in Erfahrung gebracht. All das beunruhigte ihn.
Und jetzt dieser höchst eigenartige Anruf von Abdel Rahman. Was nur wollte der Araber? Er war sich ganz sicher, dass Abdel Rahman irgendetwas im Schilde führte. Aber was? Francis spürte, dass die Dinge irgendwie aus dem Ruder liefen. Abdel hatte sich zwar sehr bemüht,
Weitere Kostenlose Bücher