Der Fluch des Florentiners
Kopfschmerzen, hätte Salto schlagen können und vor Freude hüpfen wollen. So wunderbar hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Heute Abend würde sie wieder hierherkommen. Und in einigen Tagen würde sie ins Konzert gehen. Hier, in den Sala Terrena – mit ihm! Mit Gregor Friedrich Albert von Freysing. Jenem Mann, der sich vor einigen Monaten in die Christie ’ s-Zentrale in London so auffällig für den Florentiner Diamanten interessiert hatte und der dabei vom Sicherheitsdienst fotografiert worden war. Sie hatte ihn sofort wiedererkannt. Er sah so aus wie auf dem Foto – unglaublich gut!
M arie-Claire de Vries ging in die kleine Passage bei Haas & Haas. Ihre Gedanken waren längst beim heutigen Abend, und so bemerkte sie nicht, dass Gregor Friedrich Albert von Freysing an der Ausfahrt des Parkplatzes mit seinem Jaguar stehen blieb, durch das Fondfenster hindurch nachdenklich der attraktiven Frau mit den langen, blonden Haaren hinterherblickte. Leise murmelte er vor sich hin: » Seltsam! Da stimmt doch irgendetwas nicht! «
Der Schlagbaum öffnete sich. Der Jaguar rollte hinaus auf die Straße. Gregor Friedrich Albert von Freysing dachte angestrengt nach. Wie konnte diese Frau hier parken und dabei ihre Konzertkarte verlieren? Das war eigentlich unmöglich.
Dieser Parkplatz im Hinterhof des Deutschordens war durch einen Schlagbaum gesichert. Nur die Mitarbeiter mit einer elektronischen Chipkarte durften hier rein. Und einige ausgewählte Mitglieder des Ritterordens vom Goldenen Vlies, die fünf Offiziere. Und der Souverän …
7. Kapitel
S
e inen Geburtstag hatte sich Freiherr Georg Ludwig von Hohenstein anders vorgestellt. Freunde, Geschäftspartner und Verwandte aus aller Welt hatten kommen sollen. Mehr als vierhundert Gäste waren geladen gewesen. Doch die dramatischen Geschehnisse vor etwa zwei Wochen hatten alle Pläne zunichte gemacht. Sein Leben und das von Klara hatte eine tragische Wende erfahren. Ihre unbändige Lebenslust war einer grausamen Realität gewichen. Er fühlte sich leer, antriebslos, litt unter extremen Stimmungsschwankungen und musste sich zwingen, dem Leben positive Aspekte abzuringen. Aber er war sich längst im Klaren darüber, dass nichts in seinem Leben jemals wieder so sein würde, wie es einmal gewesen war. Die herannahenden kalten Tage und Nächte des Winters verstärkten seine trübsinnigen Gedanken. Klara war noch immer im Sanatorium. Wie sehr er sie vermisste! Die hoch über der Donau gelegene Burg kam ihm ohne sie wie ein finsteres Verlies vor. Klaras Ärzte zeigten sich sehr skeptisch. Ihr fragiler Zustand war weder medikamentös noch mit Hilfe von Therapeuten zu stabilisieren. Ihre Seele war in de m S anatorium am Chiemsee in eine andere Welt geflüchtet. Sie war hochgradig suizidgefährdet. Die Gegenwart nahm sie nicht wahr, starrte apathisch aus ihrem Fenster hinaus auf dem See. Stunden- und tagelang. Physisch lebte sie. Sie aß, weil die Ärzte ihr sagten, dass sie essen müsse. Sie trank, weil er sie darum bat. Und trotzdem war ihr körperlicher Verfall nicht zu übersehen. Ihre einst so strahlenden Augen hatten jeglichen Glanz verloren. Nicht ein einziges Wort hatte sie seit jenem grausamen Morgen gesprochen. Sie war körperlich gegenwärtig, aber ihre Seele war tot. Und niemand wusste, ob sich das jemals wieder ändern oder zumindest bessern würde.
Ihm ging es nicht viel anders. Seit dem Überfall durch die Araber hatte er das Gefühl, neben sich zu leben. Er tat alles, was überlebensnotwendig war. Aber was er tat, war kaum mehr als dumpf dem tief in ihm nach bio-chemischen Gesetzen funktionierenden Überlebenstrieb zu gehorchen. Ein Trieb, ein Urinstinkt, der nur von einem einzigen Gedanken genährt wurde: Rache! Er wollte Rache. Um jeden Preis.
Er saß im Erkerzimmer der Bibliothek. Das Kaminfeuer flackerte unruhig. Es war ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit. Die Nachmittagssonne kolorierte Hügel und Wälder. Mit Erstaunen stellte er fest, dass er diesen Tag tatsächlich als angenehm empfand. Das erste Mal seit Wochen. Nervös griff er nach dem Brief, der soeben per Eilboten zugestellt worden war. Schon der Poststempel hatte bei ihm geradezu euphorische Gefühle freigesetzt. Endlich! Das war die Antwort seines guten Freundes und Geschäftspartners Robert aus Frankreich. Hastig riss er den Umschlag auf, entfaltete den Brief und überflog die Zeilen. Bei den letzten Sätzen glitt ein Lächeln über sein Gesicht. Leise las er die Worte, auf
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