Der Fluch des Florentiners
geschmückt. An den Wänden hingen Dutzende von Wappentafeln europäischer Adelshäuser und Fürstenhöfe. Die Details der Tafeln ließen ihr wieder einmal Gänsehaut über den Rücken laufen. Diese Kirche strotzte nur so vor heraldischen Zeichen abendländischer Aristokratie!
Zunächst wusste Marie-Claire nicht so genau, wonach sie mit hastigem Blick suchte. Dann aber sah sie es genau. Über dem Eingang stand, versteckt in einer Empore, eine Orgel. Zwei kleine Erkerfenster entlang der Längswand ließen sie erahnen, dass dort oben ein Kreuzgang verlief. Wahrscheinlich führte er zur Sakristei oder zu dem Treppenaufgang, den sie flüchtig registriert hatte und an dem geschrieben stand » Sala Terrena – Mozart-Konzerte «.
» So, mein Kind, jetzt muss ich Sie bedauerlicherweise hinauskomplimentieren. Ich habe noch Wichtiges zu tun «, rissen die Worte des Priester sie aus ihrer Euphorie. Ja, sie war euphorisch. Denn dort oben in dem Kreuzgang lag vielleicht der Weg hin zu ihrem Traum! Aufgeregt verabschiedete sie sich und verließ die Kirche auf dem Weg, den sie gekommen war. Plötzlich sprühte sie vor Elan und Einfallsreichtum. Ihre Entscheidung war gefallen. Jetzt galt es nur noch, den Plan in die Tat umzusetzen.
Schnellen Schrittes eilte sie durch den Torbogen, ging zurück zu dem Zaun, der Café und Parkplatz trennte, nahm an der gleichen Stelle wieder Platz und wartete. Es dauerte eine Stunde. Dann kam er. Groß und von kräftiger Statur schritt er auf seinen Jaguar zu. Marie-Claire bewegte sich hinter dem Zaun. Nicht zufällig, sondern unübersehbar und deutlich hörbar. Sie schaute durch den Zaun hindurch, sah sein markantes Gesicht, die dunklen Augen.
Dann sah er sie, blickte verwundert durch den Blätterwald hindurch. Mehr als ihr rot-braunes Kleid und ihre langen, blonden Haare, schoss es ihr durch den Kopf, konnte er nicht von ihr sehen. Ihre Blicke trafen sich durch den Zaun hindurch. Sie sahen sich in die Augen, kaum mehr als einen Meter voneinander entfernt. Sie sah, dass er nicht wusste, wer sie war. Aber sie wusste, wer er war.
Den Blick auf den Boden geheftet, so, als suche sie etwas, kam sie langsam hinter dem Zaun hervor.
» Suchen Sie etwas, junge Frau? «
Sie jubelte innerlich. Bingo! Seine sanfte Stimme ließ die wenigen Worte in ihren Ohren wie Engelsposaunen klingen. Mein Gott, dachte sie, diese Stimme! Dieses Sanfte in der Stimme!
» Ja «, zitterte ihre Stimme wie Espenlaub, » ich habe hier vorhin beim Aussteigen aus dem Wagen eine Karte verloren. Ein Ticket für ein Mozart-Konzert in der Sala Terrena dort in der Kirche. « Sie bemühte sich, sehr traurig zu wirken. » Es ist sehr schwer, für diese Konzerte Karten zu bekommen. «
» Das ist aber höchst bedauerlich, wirklich schade «, reagierte er sehr galant und begann unverzüglich neben und unter seinem Auto den Boden abzusuchen. Auch sie schlich auf dem Parkplatz herum, bückte sich, lugte unter die Autos, suchte – und fand nichts. Er fand ebenfalls nichts. Nach einigen Minuten erwies er sich als das, was sie erwartet hatte – als Gentleman.
» Das ist ja eine richtige Tragödie! Die Sala Terrena ist nicht nur der älteste Konzertsaal Wiens. Die wunderschönen Fresken im Stil venezianischer Spätrenaissance haben selbst Mozart so begeistert, dass er in den wenigen Monaten, die er hier in diesem Haus im Jahre 1781 wohnte, mehrere Konzerte dort gab. «
Ja, dachte Marie-Claire, er ist, was ich vermutet habe. Ich habe es sofort gesehen. Er ist ein wortgewandter, gebildeter, unglaublich gut aussehender Mann mit Stil. Mit Klasse. Und er hat angebissen!
» Ich mache Ihnen einen Vorschlag «, lächelte er sie an. » Da ich weiß, wie schwer es ist, für dieses Mozart-Ensemble Karten zu bekommen, ich aber aus geschäftlichen Gründen zu dem Hausherrn exzellente Kontakte habe, werde ich Ihnen eine neue Karte besorgen. Darf ich Ihnen das anbieten? «
» Oh, das ist ja wunderbar «, jubelte Marie-Claire. Ihre Freude war nicht gespielt, aber dennoch wartete sie noch auf eine weitere Frage. Und die kam prompt.
» Würden Sie es als aufdringlich betrachten, wenn ich Si e f ragen würde, ob ich Ihnen bei diesem Konzert Gesellschaft leisten dürfte? « Er sagte es so ehrlich und unwiderstehlich, dass sie viel zu schnell antworte: » Nein, ganz und gar nicht. Sehr gern! «
Zehn Minuten später verließ Marie-Claire de Vries mit wild pochendem Herzen den Hinterhof der Deutschordenskirche St. Elisabeth. Sie war glücklich, hatte
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