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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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sollte.
    Das letzte, was er fühlte, war die flüchtige Berührung fremder Hände an seinen Schultern, gefolgt von einer Stimme, Caolles, möglicherweise, die aus weiter Ferne in rauhem Ton klagte: »Im Namen Aths, es gibt keine Gerechtigkeit auf der Welt, wenn er sterben muß …«
    Doch war dies die unerfreuliche Wendung des Schicksals, und hätte Dakar noch genug Atem gehabt, so hätte er gewiß lautstark das Paradoxon beklagt, nach all seinen Jahren der Unzulänglichkeit gerade mit diesem einen selbstlosen Akt sein Ende besiegelt zu haben. Er fragte sich, ob Sethvirs Geschichtsschreibung ihn zum Helden machen würde, ob sein Meister aus der Bruderschaft seine Wandelung anerkennen würde. Dann versanken auch seine Gedanken in tiefer Stille.
     
    Für lange Zeit herrschte nurmehr das Nichts. Dunkelheit, Stille, schaurige Kälte; dann ein blauer Lichtpunkt, ein blasser Hinweis auf komplexe Muster, die nur die magisch geschulte Wahrnehmung zu erkennen vermochte. Bedeutsamkeit, quälende Verstandesregung, die am Rande eines mühsam arbeitenden Bewußtseins kratzte. Sein Geist aber wußte nichts, fühlte noch weniger. Nur tiefste Ermattung und eine Stille, komplexer als die winterharte Last schwarzen Eises.
    Dann drang eine machtvolle Stimme durch das Schweigen, brach die Ketten eisigen Nichts. Dakar hörte seinen Namen, aufgeladen mit einer Macht, groß genug, den geschmolzenen Kern der Erde selbst an die Oberfläche zu rufen.
    Eine Frage, die Bitte um Erlaubnis. Dakar fühlte Tränen auf der Innenseite seiner Lider, den geisterhaften Hauch eines Leibes, dessen Existenz ihm gänzlich entfallen war. In seinem Geist regte sich die Erkenntnis der Anwesenheit Asandirs, und so erklärte er freimütig seine Zustimmung, zu allem, was da gefordert sein mochte. Jemand, den er nicht erkennen konnte, stieß einen Ausruf der Erleichterung aus.
    Dann durchflutete ihn eine Woge weißen Lichtes, und der Schmerz zog sich zurück gleich einem Schrei in einem vollkommenen Vakuum.
    Weinend wegen der Wiederkehr seiner körperlichen Empfindungsfähigkeit, schnappte der Wahnsinnige Prophet nach Luft, obgleich jeder Atemzug wie eine Flamme in seiner Lunge brannte, ehe er schließlich mühevoll die Augen öffnete. Regen und Wolken, ein bitterkalter Wind zerrte an seiner Wange, Asandirs Gesicht, ein Gewirr verwitterter Runzeln, verzogen zu einem grimmigen Ausdruck höchster Konzentration.
    Dann Caolles Stimme, bärbeißig vor Sorge. »Sollten wir ihn nicht aus der Kälte fortschaffen?«
    Niemand antwortete. Dakar fühlte, wie ihn die Hände des Zauberers so zartfühlend wie kraftvoll auf die Seite drehten. Er rollte über die scharfkantigen, regennassen Steine. Blut strömte über seine Lippen, und der Geschmack drohte ihn zu ersticken. Zu erschöpft, um zu zittern, fühlte er, wie sich die Kälte in seinen Leib bohrte, als sanfte Finger den Stoff seiner Tunika rund um den Pfeilschaft herum auftrennten, der in schiefem Winkel aus seinem Rücken herausragte.
    »Ruhig«, sagte Asandir.
    Dann, als Dakar sich mühte zu fragen, welche Katastrophe dazu geführt haben könnte, daß ein Bruderschaftszauberer nun an seiner Seite weilte, als er verzweifelt versuchte, Asandir vor dem tückischen Plan einer Korianizauberin zu warnen, sagte sein Meister nur in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: »Sei still.«
    Dakar fühlte ein Siegel wärmenden Feuers auf seiner Haut. Der Schmerz ließ nach, wandelte sich von einem grausigen Aufschrei seines Fleisches zu einem sanften Murmeln.
    »Schlaf, Dakar«, sagte der Zauberer in jenem Tonfall, dem sich kein Sterblicher widersetzen konnte.
     
    Viel später, Nacht war es, so glaubte Dakar, während er sich durch das Labyrinth seiner Sinne wühlte, um seine Wahrnehmungsfähigkeit wieder zum Leben zu erwecken. Im rötlichen Schein einer Talgkerze öffnete er die Augen. Spinnenartige, schattenhafte Beine staksten durch das Innere der verwobenen Muster eines Hirtenzeltes. Er roch modrige Felle, den heißen Gestank des Fettes. Taugenichts der er war, dürstete er nach billigem Gin, um jene aufsteigende Woge der Emotion zu ersticken, die seine Eingeweide zu zerfetzen drohte.
    Wider alle hinderlichen Umstände der Schöpfung war es seinem Meister gelungen, sein Überleben zu sichern, ein Vorzug, der Strafe und Freude gleichermaßen mit sich zu bringen versprach.
    Eine Lage strammer Verbände umgab seinen Brustkorb.
    Jeder Atemzug sandte bohrende Schmerzen durch seinen Rücken. Und noch immer wußte er nicht mehr

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