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Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung

Titel: Der Fluch des Nebelgeistes 06 - Das Schiff der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janny Wurts
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herbeizurufen.
    »Was tust du?« wimmerte Dakar in der kurzen Atempause. Ihm blieb keine Kraft, die Gefahren darzulegen.
    »Ich suche einen Weg, sie zur Umkehr zu bewegen«, lautete Arithons Antwort. »Wenn das Heer nicht in den Kampf zieht, dann gibt es auch kein Blutvergießen. Lysaers Entschlossenheit, mein Leben auszulöschen, mag eine Schwachstelle aufweisen, und wenn es sie gibt, so werde ich sie finden.«
    Diese Bürde war untragbar. Dakar wollte protestieren. Er kannte den Prinzen des Westens; er hatte ihn in Cheivalt beobachtet und war unter Qualen zu einer unliebsamen Bewertung gezwungen worden. Besser als jeder andere wußte er, wie sehr die Moral des Prinzen durch Desh-Thieres Fluch verzerrt und mißbraucht worden war, und die königliche Gabe der Gerechtigkeit würde nie zulassen, daß Lysaer sich zurückzog.
    Arithon sah das auch, und doch blieb er unerschrocken. »Eine Möglichkeit haben wir bisher noch nicht erprobt. Was geschieht, wenn der Einsatz so mörderisch wird, daß selbst Lysaers eherne Moral nicht reicht, das Leid zu ertragen?«
    Zu diesem Zeitpunkt hatte Dakar alles erfahren, was es über den Geist des Prinzen von Rathain zu wissen gab, und, angeheizt durch den Tienellerausch, wußte er intuitiv von der schrecklichen Absicht, die sich hinter diesen Worten verbarg. »Das kannst du nicht tun!« schrie er auf. »Um deiner Seele willen, laß ab.«
    Doch seine Warnung wurde nicht erhört. Gezeichnet in Blut und Tod, entfaltete sich das verzweifelte Abschreckungsszenario. Darauf ausgerichtet, einen besonders tiefen Eindruck zu hinterlassen, sah sich Dakar dem schaurigen Anblick blutüberströmter Leichen und brennender Schiffe gegenüber, Früchte eines gnadenlosen Gemetzels, und neben ihnen eine Handvoll Zeugen, mit voller Absicht zum Überleben bestimmt, um das Ende aller Hoffnung zu schauen.
    Der furchtbare, peinigende Widerhall ihres Entsetzens zerschmetterte seine Konzentration.
    Ihm blieb keine Sekunde der Warnung, kein Augenblick der Vorbereitung, als seine Sinne zur falschen Zeit in drogengetriebene Vorsehung eingingen.
    Seine angeborene Gabe entzog sich der Kontrolle, schlug hindurch, und wie eine Kaskade umstürzender Dominosteine stürmte das Chaos in die eingetretene Lücke.
    Dakar schrie auf, überwältigt von einer Vision: Lysaer s’Ilessid in seinem Feldzelt, weinend, am Boden zerstört, während ein zitternder, blasser Hauptmann seine Weisung entgegennahm: das Heer sollte Befehl zum Rückzug erhalten.
    »Kein Feldzug ist den Verlust von vierzigtausend Menschenleben wert!« sagte Lysaer. »Ich werde nicht zusehen, wie meine Männer geködert werden, wie mit ihnen gespielt wird, ehe sie der Vernichtung anheimfallen. Es gibt keinen Zweifel: Der Herr der Schatten hat Vastmark in eine gewaltige Falle verwandelt. Auf einem Schlachtfeld, das er selbst gewählt hat, kann er nicht besiegt werden. Wir müssen uns zurückziehen und unsere Strategien überdenken, bis wir einen anderen Weg finden, unseren Feind zu schlagen.«
    »Der Plan wird funktionieren«, keuchte Dakar. »Wenn Lysaer von dem Gemetzel erfährt, wird er den Rückzug befehlen und sein Heer auflösen.«
    Im nächsten Augenblick fiel die ganze Konstruktion magischer Banne in sich zusammen. Schützende Magie, gewirkt in der Not des Augenblicks, zerfiel unter statischer Entladung. Sein Zugriff auf Arithons Gewissen löste sich auf, und all die alten Barrieren, die seine magische Wahrnehmung unterdrückten, kehrten wieder zurück.
    Wohlwissend um das geschehene Unheil und von Pein erschüttert, als seine innere Wahrnehmung in tiefe Finsternis sank, griff Arithon noch einmal auf sein schnell dahinschwindendes Wissen zurück und rang den Fragmenten seiner versagenden Gabe einen letzten Zauber der Befreiung ab.
    Dakar blieb keine Zeit, die Wirkung zu beurteilen. Dunkelheit zerrte ihn in ihren undurchdringlichen Filz und erstickte den letzten Funken seiner Aufmerksamkeit.
     
    Während jenseits des Fensters die Dämmerung heraufzog, erwachte der Wahnsinnige Prophet mit der Übelkeit des Entzugs, noch verstärkt durch das heftige Schlingern des Zweimasters auf stürmischer See. Das Wetter hatte gewechselt und drang nun mit einer unheilvollen Gewalt auf sie ein, als wäre der Streitwagen Dharkarons auf sie niedergefahren. Regen schlug gegen das zweigeteilte Fensterglas, während Taue und gereffte Segel donnernd im scharfen Wind flatterten.
    Arithon lag in seiner Koje. Kaum bei Bewußtsein, wurde sein schlaffer Körper von den

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