Der Fluch des Salamanders
Bruder an. »Mama und Papa sind weg! Hast du das noch nicht kapiert? Wir müssen den Spuren folgen. Vielleicht holen wir sie noch ein!«
(aus Johns Notizbuch)
»Da rein?«, fragte John und zeigte auf den Urwald. »Ohne mich.«
»Meinst du etwa, ich lasse dich hier allein zurück?«, erwiderte Lea. Ihre Stimme zitterte und ihr Blick folgte dem Pfad, der in den Regenwald führte. In der kurzen Zeit im Camp hatte sie gelernt, dass der Dschungel nur am Rand so dicht und undurchdringlich wirkte. Dahinter wurde er lichter, weil die hohen Bäume den Pflanzen am Boden die Sonne stahlen.
»Vielleicht haben ihnen die Fremden, von denen die Spuren stammen, einen Tipp gegeben, wo sie ihren Orchideensalamander finden können. Da mussten sie schnell weg und wollten euch nicht wecken. Sie sind schon öfter ganz plötzlich verschwunden. Ein paar Tage später waren sie dann immer wieder da«, erklärte Pablo. »Es gibt bestimmt eine logische Erklärung.«
»Und warum lassen sie dann ihre Aufzeichnungen da? Und überhaupt, wo sind all die anderen? Und was ist mit den Spuren?«
»Ihre Aufzeichnungen haben sie hiergelassen, weil sie wiederkommen wollen. Und die anderen?Keine Ahnung«, antwortete Pablo. »Indios ziehen manchmal einfach ohne Grund weiter. Und die Spuren? Die gehören sicher den Männern, die euern Eltern den Tipp gegeben haben. Wahrscheinlich haben sie Geld dafür bekommen. Das ist sicher alles ganz einfach zu erklären.«
»Meinst du?«, fragte John hoffnungsfroh.
»Vielleicht stimmt es. Es wäre die einzige vernünftige Erklärung«, sagte Lea. »Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum sie sich nicht verabschiedet haben. Sie haben nicht mal eine Nachricht hinterlassen!«
»Aus demselben Grund, aus dem sie uns ein halbes Jahr bei Oma geparkt haben! Wenn die ihren dämlichen Lurch finden können, sind wir denen doch völlig egal«, erklärte John.
Pablo fasste Lea an der Schulter. »Wir gehen zurück in die Stadt. Das habe ich euren Eltern versprochen, falls sie mal plötzlich wegmüssen. Dort werden wir sie wiedertreffen. Das habe ich mit ihnen vereinbart. Es ist zu gefährlich für euch alleine hier!«
»Aber das dauert doch Stunden!« John war überhauptnicht begeistert von der Aussicht, den ganzen Weg zurück durch den Dschungel laufen zu müssen.
»Der Wagen parkt noch an der Piste. Den können wir nehmen, dann geht es schneller«, erwiderte Pablo.
Lea war froh, dass Pablo ihr eine glaubhafte Erklärung geliefert hatte. Sie war überzeugt, dass sich alles in dieser Welt logisch erklären lässt. Auch das plötzliche Verschwinden ihrer Eltern. Bestimmt war alles ganz harmlos.
Außerdem durfte sie jetzt keine Schwächen zeigen. Schon wegen John. Sie fühlte sich verantwortlich für ihren Bruder. Lea schob alle Zweifel zur Seite. Sie musste jetzt tapfer sein, tapfer und vernünftig.
»Wir gehen mit Pablo«, erklärte sie.
»Gut, dann packt eure Sachen. Aber nur das Nötigste! Ihr werdet sehen: Wenn eure Eltern den Salamander haben, kommen sie auch in die Stadt. Dann werdet ihr sie wiedertreffen.«
Zu Hause hätte Lea sich niemals so herumkommandieren lassen. Zu Hause kannten sie und Johnsich aus. Hier im Regenwald war alles neu für sie. Hier waren sie absolute Anfänger. Der Urwald mochte keine Anfänger, das hatte ihr Vater ihnen schon am ersten Tag beigebracht. Wer im Regenwald überleben wollte, musste ein Profi sein, hatte er gesagt. Ein Profi wie Pablo.
Pablo hatte nur ein paar wenige Sachen in eine leichte Ledertasche gepackt. Vor allem Tortillas, eine Tüte Bohnen und eine große Plastikflasche mit Wasser. Dazu eine Plastikplane und ein Stück Seil.
Stirnrunzelnd sah er zu, wie Lea und John ihre Rucksäcke vor das Zelt schleppten. Bislang hatten sie noch kaum einen ihrer Einkäufe aus dem Outdoorladen brauchen können. Bislang hatten sie sich allerdings auch noch nicht weit vom Camp entfernt.
»Nur das Nötigste, hatte ich gesagt!« Pablo öffnete Johns Rucksack und sah neugierig hinein.
»Ohne das ganze Zeug ist ein Marsch durch den Dschungel reinster Selbstmord«, erklärte John beleidigt. »Das hat der Verkäufer gesagt!«
»Das alles zu schleppen ist reinster Selbstmord«, erwiderte Pablo unbeeindruckt. Mit spitzen Fingern holte er Johns Anti-Blutegel-Socken aus dem Rucksack. »Was ist das?«
»Strümpfe gegen Blutegel«, sprang Lea ihrem Bruder zur Hilfe.
Pablo lachte und warf die Socken hinter sich auf den Boden. In wenigen Minuten hatte sich dort ein Haufen mit Dingen gebildet,
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